http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0493
*
*
XV
hier unid da im Haushalt mit an. Eines Tages erkannte sie mit
Schrecken, daß ihr Wappenring, den sie nie vom Finger ließ,
ihr fehlte. Überall wurde gesucht — er schien spurlos verschwunden
. Der Kranken blieb der Verlust versdhwiegeu, da
sich an den alten Pamihenring ein Aberglaube knüpfte, und
man sie nicht unnötig aufregen wallte. Endlich setzte sich die
alte Dame, ganz verzweifelt vom Suchen, neben ihre Tochter,
die gerade in erquickendem Schlummer lag. Beim Erwachen
war ihre erste Frage: „Mama, hast du deinen Ring?" Die erschrockene
alte Dame, die eine Aufregung für die Kranke befürchtete
, versuchte ihre Hand zu verbergen. Aber die Kranke
lächelte nur unfd sagte: „Beruhige dich, Mama, ich weiß, wo
dein Ring sich befindet. Ich selbst hole ihn dir." Und von der
Mutter gestützt, schritt sie geradewegs dem Leinenschrank zu,
griff hinein und brachte den Ring heraus. „Wahrscheinlich hast
du ihn beim Herausgeben von Tischwäsche abgestreift", erklärte
sie, „denn dort hinter den Tischtüchern sah ich ihn im
Traume liegen." («Tüb. Chron", Nr. 241 v. 16. 10. 19.)
Kurze Notizen*
Neue Prophezeiungen. - Wir erhalten, dat. Langenfeld,
1. 12. 20, pachfolgeude Zuschrift: „Durch die Prophezeiungen
des Herrn Mariarty über die Zukunft Deutschlands (Montag,
den 29. 11. 20. im Börsensaal in Königsberg), von denen die
Königsberger Allgemeine Zeitung heute berichtet, und die ich
teilweise weiter unten folgen lasse, wurde ich an eine merkwürdige
Prophezeiung erinnert, von welcher mir der Chausseearbeiter
Olivier aus Judzicken, Kreis Oletzko, erzählte. Dieser
Mann, der auf mich einen sehr vertrauenerweckenden Eindruck
machte, war 41 Monate in russischer Gefangenschaft. Er wurde
1915 durch Verrat mit mehreren Bekannten aus seiner Heimat
nach Rußland verschleppt. 1916 ging er mit einigen Kameraden
zum Zeitvertreib zu einer russischen Wahrsagerin. Diese
hatte ein schwarzes Buch mit weißen Buchstaben, dessen Blätter
sich eigentümlich von selbst bewegten. Aus demselben las sie
jedem sein Schicksal. Diesem Manne sagte sie, er wäre von
bösen Menschen verraten, nach Rußland gebracht worden (auch
die Zeit). Er werde aber 1918 heimlich entweichen und nach
Hause gelangen, was auch geschah. Nach einem Jahre würde
er sehr krank werden und viele Monate dem Tode nahe darniederliegen
. Deutschland werde bis 1918 alle Schlachten gewinnen
, dann wird es aber kleingemacht werden. Es kommt
eine Revolution — die Seesoldaten werden anfangen — der
Kaiser wird abgesetzt werden; aber im Jahre 1924—25 wird
Deutschland wieder hoch kommen und ganz Europa (Welt) besiegen
. Olivier und seine Kameraden schätzten die Voraussagungen
nicht höher ein als das Gerede einer Zigeunerin, bis
Ol. nach einem Jahre an Flecktyphus schwer erkrankte und
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0493