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Beck: Zum Räume wird die Zeit.
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ginäre Multiplikation derselben zustande, ein Ebenbild* das weder
einen positiven, noch einen negativen Wert in bezug auf + a hat.
Die Punktwerte der imaginären Strecke 0—C lassen sich an
den reellen Strecken + und — a weder abziehen noch ihnen
hinzufügen. Durch rechtwinklige Achsendrehung im Nullpunkte,
also durch imaginäre Multiplikation «mit sich «selbst, entsteht aber
aus der geraden Linie die Ebene oder Fläche, aus der Ebene der
dreidimensionale Euklidische Raum, aus dem letzteren wieder
die vierdimensionale Minkowski-Welt, welche uns weiterhin noch
beschäftigen soll. Immerhin können wir auch jötzt schon auf
Grund unserer Punktexperimente Rückschlüsse auch auf das Verhältnis
des Menschen zur Welt machen. Es ist einleuchtend, daß
er nicht nur in den Drehpunkt einer positiven und einer negativen
Welt gestellt ist. Dieses Verhältnis geht ja schon aus dem Richtungsgegensatz
der «-rechten und linken Kopfhälfte hervor. Und
es gibt wohlbeglaubigte Tatsachen aus der Mystik und Pathologie,
welche beweisen, daß diese Drehung um 180 0 auch vorgenommen
werden kann. So erscheinen z. B. beim sog. „Situs viscerum
inversars" die Eingeweide der Bauch- und Brusthöhle genau in
Spiegelbildlage zur gewöhnlichen. Aber auch die Möglichkeit,
eine imaginäre Welt um 90 0 in eine reelle zu verdrehen und umgekehrt
, muß im Menschen selbst liegen. Und wir dürfen jetzt
schon nach unseren Punktexperimenten die Vermutung aussprechen
, daß, wo immer uns die Lebewesen der Außenwelt in
zeitlicher Aufeinanderfolge, also „vergänglich" erscheinen, sie
unser Wahrnehmungsvermögen nach einer falschen, der imaginären
Richtungslage hin ordnet. Wir beurteilen aber dann nur
von einem System aus, das selbst imaginär, das heißt, zum reellen
quer sich bewegt, die Verhältnisse des letzteren.
Doch sind die Verhältnisse noch einfach zu überschauen, solange
es sich um geradlinige Gebilde handelt. Bei einer zweidimensionalen
gekrümmten Welt dagegen mag ich meine
„Zeitmaschine" schieben, drehen (und wenden,*wie ich will: es
gelingt mir schließlich nur auf Umwegen, die zeitliche Verschmelzung
ihrer Einzelbestandteile zu wahren. Man versuche es
mit einer geschlossenen Kurve und lasse den Schlitz so darüber
wandern, daß er den Kreis oder die Ellipse als S e k a n t e durchschneidet
Die Kurve löst sich dann in zwei Reihen von Einzelpunkten
auf, die im zeitlichen Nacheinander auftaiuchen und verschwinden
. Hier schon offenbart sich ein tiefes Geheimnis; eine
Art von Zwienatur der Welt. Jeder aiuftauchende Einzelpunkt hat
noch einen Doppelgänger, der zwar räumlich von ihm getrennt,
aber zeitlich mit ihm verschmolzen ist. Die Reihe der Einzelpunkte
ist, anders wie bei der geraden Linie, eine „gespaltene"
Welt, die nach zwei Richtungen hin auseinanderläuft, um sich
dann wieder zu nähern und schließlich in einem Schlußpunkte zu
enden. Wie anders dann wirken solche Punkte auf uns ein, wenn
wir den Schlitz so wandern lassen, daß er den Kreis nur an einer
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