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496 Psyohdsehe Studien; XLV1II. Jashrg. 9- Heft (September 1921.)
Stelle, demnach als Tangente, berührt Ob die Einzelpunkte
sich geradlinig oder gekrümmt aneinanderreihen, läßt sich zunächst
gar nicht sagen, wenn wir die Drehung des Schlitzes dem
Laufe der Kurve fortgesetzt anpassen. Jedenfalls ist es keine
gleichzeitige oder stetige Welt, die so zustande kommt. Aber es
ist wenigstens eine „Welt", die schon den uralten Menschheitstraum
der endlosen Wiedergeburt in der Zeit widerspiegelt. Das
können wir uns besonders \erdeutlichen, wenn wir die Kreislinie
in allen Färben des Regenbogiens zeichnen. Dann muß uns
schließlieh auffallen, daß beim ständigen Weiterdrehen des
Schlitzes die gleichgefärbten Punktreihen immer wieder auftauchen
und verschwinden, also sich unbegrenzt wiederholen.
Doch ist es damit noch immer nicht gelungen, aus einer krummlinigen
Welt das zeitliche Entstehen und Vergehen der Einzelpunkte
hinauszuschaffen. Um das wenigstens teilweise zu erreichen
, das heißt, um statt eines Punktes die Hälfte aller jeweils
wahrnehmen zu können, muß man die Ebene des Schlitzes
also «drehen, daß er nicht mehr wagereeht mit der Ebene des
Kreises zusammenfällt, «sondern senkrecht zu ihr steht. Ungefähr
so, wie im Fernrohr «die Ringe des Saturn zum geraden Strich
werden, wenn ihre Ebene mit der menschlichen Blickebene zusammenfällt
, müssen wir also mit unserer „Zeitmaschine*4 die
Kurve von -der Kante her in Angriff nehmen. Damit gelingt es
uns allerdings, «daß, durch den wandernden Tangentenschlitz hindurch
betrachtet, die eine uns jeweils zugewandte Hälfte des
Kreises als gerade Linie von zeitlicher Verschmelzung erscheint
Hier müssen wir noch eine Hypothese machen, die zwar in
der Mystik schon gespukt, in der amtlichen Wissenschaft aber noch
keinen Platz gefunden hat. Der Beobachter, der einen Kreis von
der Kante aus als zeitlich unzersprengte Einheit erblicken will,
muß einen Doppelgänger haben, dessen Blicken die andere
Hälfte der Kreises zugänglich ist. In dem Kopfe dieses Doppelgängers
könnte er dann den Befünd wie in einem Spiegel ablesen.
Dann müßte aber auch ein „Fernsehen ohne Draht" möglich sein,
mit dessen Erfindung sich die Physiker bisher vergeblich abgemüht
haben. In sich geschlossene, gekrümmte Gebilde bedürfen
also, um restlos überschaut werden zu können, der Doppelgängereinrichtungen
.
Und ein in sich geschlossenes, gekrümmtes Gebilde ist auch,
seit der Ablösung des speziellen Relativitätsprinzipes durch das
allgemeine, der dreimensionale Raum geworden. Einsteins
spezielle Relativitätstheorie, ebenso wie sonst die ganze
gebildete Welt, stellte sich früher den gewohnten Weltenraum
nach dem Vorbilde des großen griechischen AJtmeisters der Geometrie
als euklidisch vor, das heißt, derart, daß man je zwei
seiner Örter durch eine gerade Linie als kürzeste Strecke verbinden
könnte.- Ebenso galt es als «selbstverständlich, daß man von
jedem Punkte dieses euklidischen Weltenraumes aus ein aus
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