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498 Psychische Studien; XLVIII. Jahrg. 9. Hielt (Septaiinber 1921!)
finden. Im sphärisch 'gekrümmten nichteuklidischen Räume wird
aber notgedrungen die Zeit zur Schlange, die sich selbst in den
Schwanz beißt, "wenn auch Einstein es unterlassen hat, darauf hinzuweisen
. Um das einleuchtend zfti machen, wählen wir als
Linien, die von einem Punkte aus nach allen Richtungen hin auseinanderstreben
, gewöhnliche Lichtstrahlen und treffen damit zwei
Fliegen mit einem Schlage. Denn im Lichtstrahle entspricht immer,
uach der speziellen Relativitätstheorie wenigstens, einem zeitlichen
Abstände von einer Sekunde ein räumlicher von B00O0O
Kilometern. Damit ist im sphärisch gekrümmten, also nichteukli-
dischen Räume auch den Zeitabständen ihr zwangsläufiges Schicksal
vorgeschrieben. Auch sie können sich nicht ins Endlose vergrößern
, sondern Vergangenheit und Zukunft müssen wieder in
einem (regenpunkte zum Ausgangspunkte zusammenlaufen. Wenn
aber die Welt, physikalisch genommen, weder räumlicn noch zeitlich
unendlich ist, so heißt das keineswegs, daß sie eines Tages
entweder vom Teufel geholt oder aber vom lieben Gott ziu sich
genomme n werden, also untergehen muß. Einer endlichen Welt
ist die Unbegrenztheit innerhalb ihrer in sich selbst zurücklaufenden
Sphäre keineswegs benommen, sondern nur ihren
täumlichen Abständen die Möglichkeit, in der Unendlichkeit verschwimmen
zu können. Und gerade deshalb, weil in einer sphärisch
gekrümmten Welt der räumlichen und zeitlichen Erweite-
rungsmöglichkeit Grenzen gezogen sind, wird diese Welt in gewissem
Sinne zu einer Welt der Auferstehung, in der alle
Abstände und Gegensätze in einem Gegenpunkte sich wieder zusammenfinden
müssen.
Wollen wir aus diesem gekrümmt-dreidimensionalen Riemann-
schen Räume wieder heraus, *o müssen wir mit Minkowski in die
einigen Höhen schwierigsten mathematischen Denkens und nicht
in die lachenden Täler blühender Anschaulichkeit flüchten. Seine
\ ierdimensionale Welt der zeitlichen Verschmelzung ist
eine Weiterbildung des dreidimensionalen Euklidischen Raumes
und wie dieser ungekrümmt und unendlich. Minkowski (f 1907)
ibt als Weiterbildner des Einsteiuschen speziellen Relativitäts-
prinzipes auf den genialen und durchführbaren Gedanken gekommen
, in den Gleichungen der Theorie diejeränderliche reelle
Zeitgröße (t) durch imaginäre Lichtgeschwindigkeiten (V — i ^)
zu ersetzen. Die Physik ist dadurch, wie Einstein sagt, aus einem
Geschehen j«m dreidimensionalen Räume gewissermaßen zu
einem Sein in der vierdimensionalen „Welt" geworden. Ob
man diese überzeitliche Minkowski-Welt als vierdimenbionalen
Raum oder vierdimensionale Mannigfaltigkeit besser bezeichnet,
darüber läßt sich streiten. Sicher aber ist, daß die in ihr imaginär
gewordene Zeit keine in der reellen Welt meßbaren Abstände
mehr ergeben kann. Das Raum-ähnlich-werden der Zeit
läßt sich übrigens bis zu einem gewissen Grade jetzt schon geometrisch
verdeutlichen. Die beseitenden Fig iren sind ja sonder
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