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504 Psychische Studien; XLVIII. Jaihrg. 9. Heft. (September 1921.)
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Nachtrag.
Zu dem Aufsatz von Herrn Hänig habe ich folgendes noch
kurz zu bemerken: Ich behaupte nicht „kategorischu, daß der
Großkopfsche Fall nicht auf Einwirkungen Verstorbener (Hänig
schreibt wohl nur aus Versehen „Sterbender") zurückgeführt
werden könne. Diese Bemerkung bezieht sich auf die psycho-
skopischen Versuche, während ich «einige Zeilen später ja ausdrücklich
betone, daß der Spiritismus nicht exakt zu widerlegen
ist. Ich behaupte also von solchen spontanen Fällen nicht „kategorisch
", daß der Spiritismus unrecht habe, aber aus methodischen
Gründen meine ich, daß es falsch ist, die spiritistische Deutung
auf gleiche Stufe mit einer animistischen Erklärung zu stellen.
Ich befinde mich mit Hrn. Hänig in angenehmer Übereinstimmung,
indem wir beide die Telepathie und das Hellsehen als Tatsachen
zugeben. Nur die Deutung steht zur Diskussion, und da
möchte ich allerdings betonen, daß es nicht angeht, aequo loeo die
spiritistische Hypothese heranzuziehen, denn sie benützt zur Erklärung
Faktoren, die bisher in der Wissenschaft kein Bürgerrecht
haben, ja gerade erst durch diese okkulten Tatsachen bewiesen
werden sollen, nämlich die Geister; während im Gegensatz
dazu sowohl die physikalische Theorie als auch die psychi-
stische Theorie in unserer Erfahrungswelt bleiben, der ja auch das
Psychische angehört. Die Geister dagegen sind bisher noch
nicht als Erfahrungstatsachen anerkannt, dürfen also auch nicht
so ohne weiteres zur Erklärung herangezogen werden, solange
nicht das prinzipiell Ungenügende der anderen innerhalb unserer
Erfahrungswelt bleibenden Ansicht dargetan ist. Solange das
nicht geschieht, wird der Naturwissenschaftler methodisch richtig
handeln, wenn er von ihr tunlichst absieht und die Beweislast
dem Spiritisten aufbürdet. Daß die spiritistische Hypothese
gemattet, mit Leichtigkeit die schwierigsten Dinge zu erklären,
ist gewiß zuzugestehen, aber gerade das macht sie so gefährlich,
in methodischer Hinsicht. Ich möchte deshalb nochmals ausführlicher
daraiuf zu sprechen kommen. Schon einmal habe ichHrn.Hänig
gegenüber betont (Ps. St. 1918, S. 435), daß es nicht die Art der
Wissenschaft ist, Behauptungen aufzustellen und den Gegner aufzufordern
, sie zu widerlegen; die Methodik der Wissenschaft ist
anders, und der Okkultismus hat allen Anlaß, die Methodik, die
sonst üblich ist, gleichfalls zu befolgen. Was dem Okkultismus
recht ist, müßte sonst andern billig sein, und ein Physiker könnte
zur Abwechslung einmal behaupten: es gibt einen „horror vacui",
beweist mir das Gegenteil! Das wäre zum mindesten umständlich
und vielleicht noch nicht einmal leicht. Die Wissenschaft
hat mit Recht den Weg genommen, alles, soweit irgend möglich,
auf Mechanik zurückzuführen, und dem andern die Beweislast
aufzuerlegen, ein Vorgehen, das auch von Gegnern der mechanistischen
Anschauung, soweit ich isehe, anerkannt wird. Es ist
z. B. billig, in der Biologie nichtmechanische Faktoren heranzu-
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