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508 Psychische Studien; XL VIII. Jahrg. 9. ifeft. (September 1921.)
In diesen Gedanken Lessings ist rein ans der Kraft innorer
Anschauung heraus die Frage in bewunderungswürdiger klarhedt
und Größe geschaut, und es ist schwer, sich solcheu Erwägungen
und Schlußfolgerungen zu verschließen. Nur in einer Hinsicht
scheint eine Vertiefung möglich und geboten. Nicht so wohl um
die Teilnahme oder gar den Genuß an den Fortschritten der Geschichte
und Meiisehheitseutwickluug, nicht um neue Kenntnisse
und Fertigkeiten handelt es sich wahrscheinlich in erster Linie,
sondern vor allem um die Erziehung zu vollkommenster Lauterkeit.
Weisheit und Liebe, und zwar in einem solchen Maße gottnaher
Vollendung, daß sie aut dieser rauhen und harten Erde allein auch
nicht annähernd zu erreichen sind. Aber diese Rauheit und Härte
der Erde mit ihren Widerständen, Enttäuschungen und Leiden dient
Erde mit ihren Widerständen, Enttäuschungen und Leiden dient
anderseits gerade besser wie alles andere dazu, die härtesten
Schalen zu beseitigen und die gröbsten Schlacken auszubrennen,
um den Geist fähig zu machen, nun in anderen, geistigeren
Welten den Weg innerer WeitereutwicKlung zu wandeln. Woraus
sich ergäbe, daß er so oft und so lange auf diese Erde wiederkommen
müßte, bis er jenen Zustand innerer Beseelung und Vergeistigung
endlich erreicht hätte.
Sicherlich sind das alles Gedanken, die unmittelbar den Eindruck
erwecken, einen bedeutenden Wahrheitsgehalt in sich zu
tragen, und mit denen sich innerlich auseinanderzusetzen gewiß
nicht wertlos ist.
Neuerdings haben nun Theo- und Anthroposopheo in Anlehnung
an indische Weisheit den Wiedel Verkörperungsgedanken
aufgenommen, und es wird dort mit aller Bestimmtheit behauptet,
der Mensch könne seine eigenen früheren Inkarnierungen überschauen
, wenn er nur durch bestimmte geistige Übungen eine gewisse
Höhe innerer Entwicklung erlange. Als grundsätzlich ausgeschlossen
und unmöglich wird man eine solche Lehre gewiß
nicht bezeichnen dürfen; aber es fragt sich doch, ob die auf Übungen
dieser Art verwandte Zeit nicht besser und wertvoller genutzt
werden kann, ja ob sie nicht nur zu häufig die Quelle solcher
Selbsttäuschung, Selbstüberhebung und innerer Verirrung ist, daß
ihre Gefahren und Schädigungen die vielleicht möglichen Vorteile
weit überwiegen. Mir will es so scheinen, und ich glaube, daß
es mehr Aufgabe und Sinn unseres Lebens ist, es als ein neues
so wie eis uns gegeben ist, in Ganzheit und Lauterkeit zu durchleben
, das Beste aus ihm maehond und lernend, und es wenig
geboten erscheint, im Gerümpel vergangener Jahrhunderte nach
verschütteten Quellen zu scharren.
Ist danach der tlieosophische wahrscheinlich kein geeigneter
und empfehlenswerter Pfad, um zur vollen Klarheit über diese
Frage zu kommen, so bietet sich uns ein solcher vielleicht in
neuen, wissenschaftlich nachprüfbaren Experimenten dar, wie sie
zuerst der französische Forscher de Horbas ausgeführt und zu
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