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514 Psychische Studien; XLV1II. Jahrg. 9. lieft (Septenlber 1921.)
das die Animisten nicht recht definieren können, weil diese von
einem mehr materialistisch-wissenschaftlichen Standpunkt ausgehen
, während, jene dem reinsten, ungetrübten Geisterglanrben
huldigen. Ob es Geister gibt und inwieweit sie bei okkulten
Phänomenen als wirksame Faktoren auftreten, will ich hier nicht
untersuchen, sondern meine Absicht ist es, das sogenannte und
vielzitierte Unterbewußtsein etwas näher zu beleuchten. Viele
Psychologen und die meisten Spiritisten, ja sogar verschiedene
höherstehende Okkultisten betrachten die unbewußten bzw. unterbewußten
(nicht bewußtlosen!) Funktionen der Kollektiverschei-
nung Mensch von einem beschränkten biologischen Standpunkt
aus. Der Biologe nämlich teilt, wie ja allgemein bekannt, das
Gehirn in zwei Teile von durchaus verschiedenartiger Struktur
und spricht von einem Großgehirn und einem Kleingehirn, wobei
dem letzteren alle «unterbewußten Funktionen zugeschoben werden
, und unterbewußt heißt man hier alles, was »dem Ober- oder
Tagbewußtsein (im Großgehirn lokalisiert) nicht bekannt ist oder
von ihm total vergessen wurde, so daß also dem Unterbewußtsein
ein wesentlicher Teil des Gedächtnisses zukommt. Diesem gedächtnisreichen
Unterbewußtsein spricht man auch die Fähigkeit
oder Funktion zu, nicht nur nachts, sondern auch am Tage alles
getreulich und sorgsam zu registrieren, was dem Menschen zustößt
und das was um ihn herum vorgeht, wovon er aber „bewußt
" nicht Notiz nimmt. So kann z. B. hinter ihm ein Mensch
zu Boden stürzen, wovon er nichts bemerkt, denn hinten hat
er keine „Augen", und die Entfernung ist zu groß, um das begleitende
Geräusch zu vernehmen, auch hat er wTohl Eile und
dementsprechend wenig Interesse für seine Umgebung und die
sich darin abspielenden Vorgänge. Von diesem Sturz also hat
er keine Ahnung, das Unterbewußtsein gibt ihm aber irgendwann
davon Kenntnis, vielleicht im Traum, daß er da den Menschen
stürzen sieht, odei|jaueh in einer spiritistischen Sitzung, wo
der Vorfall durch Vermittlung des Mediums zur Sprache kommt,
hier aber als Fehlschluß angesprochen werden muß, da ja der
Betreffe ade eben von der ganzen Sache keine Ahnung hat.
Ist das Medium entsprechend hoch entwickelt, so kennt es auch
diesen Umstand, wobei allerdings auch eine sogenannte „Intelligenz
" behaupten kann, sie habe es als „Geisf" gesehen und gäbe
es hiermit zur Kenntnis.
Alle echten Spiritisten werden darauf hineinfallen, während
die Animisten das Unterbewußtsein zitieren werden. Die biologische
Möglichkeit ist ja gegeben, aber alle Phänomene,
die sich in dieser Richtung ereignen, sind damit nicht zu erklären.
So kommen z. B. in spiritistischen und anderen okkulten Sitzungen
und bei Experimenten Dinge zur Sprache, die erstens vom
Oberbewußtsein eines Teilnehmers (Medium eingeschlossen) nur
vergessen wurden, oder zweitens solche, die ohne Tangierung
des Oberbewußtseins sofort in das Unterbewußtsein (biologisch!)
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