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v. Schrenck-Notzing: Der Spuk in Hopf garten.
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Beweismaterial.
1. Vorbericht vom 13. Februar 1921 durch den Oberamtsrichter
Justizrat Thierbach in Vieselbach.
In dem zu meinem Amtsgerichtsbezirk gehörigen Dorfe
Hopfgarten wohnt der Uhrmacher S. Er ist oder war in
zweiter Ehe verheiratet mit Minna geborene P. Der Sohn S.
aus erster Ehe, namens Otto S., 21 Jahre alt, hält seit Sommer
1Q19 öffentliche Vorträge über Hypnotismus, Spiritismus usw.
In der Zeit vom 10. bis 12. Februar d. J. kam O. S. nach
Hopf garten, hielt hier seinen Vortrag und hypnotisierte u. a.
auch seine Stiefmutter, indem er ihr Arm und Stirn mehrere
Male mit der Hand bestrich. Am nächsten und folgenden
Tage spürte Frau S. Kopfschmerzen und Müdigkeit. O. S.
reiste wieder ab.
Vom 17. Februar ab verschlimmerte sich das Befinden der
Frau S., die zugleich an einem Unterleibsleiden schwer erkrankt
war. Sie lag leidend in der Küche auf dem Sofa und
unterhielt sich anscheinend mit ihrem abwesenden Stiefsohn.
Gegen 11 Uhr abends ließen sich Klopfgeräusche in der
Küche hören. Es klopfte bald schwächer, bald stärker, im
Tisch, in der Bettstelle, in den Türen, in den Wänden und
in der Decke. Die Geräusche dauerten bis gegen Morgen
und wiederholten sich an den folgenden Tagen, am Abend
immer früher beginnend. Zugleich bewegten sich Gegenstände
in der Küche, wie die Kaffeetasse auf dem Tisch,
Waschschüssel, Eimer, die Stühle und der Tisch selbst.
Die Hausbewohner, hierdurch beunruhigt, wandten sich an
die Polizei in Weimar. Sie erschien am 24. Februar acht
Mann stark, unter Führung eines Polizeikommissars, umstellte
das Haus und besetzte Hausboden, Stube und Küche,
um den vermeintlichen Unfugstifter zu ermitteln. Jedoch „die
Verhältnisse waren so wie geschildert" (Bericht des Pol.-
Kom.). Zugleich waren mit in Hopf garten erschienen, der
Nervenarzt Dr. med. K. aus Weimar und eine Pflegerin. Der
Doklor bemühte sich, Frau S. aus ihrem Wahnzustande zu
erwecken. Nach langem Zureden „schenken Sie mir doch
Vertrauen, ich kann mehr als der Herr, der Sie hypnotisiert
hat usw.", erklärte Frau S., ja sie wolle dem Doktor .vertrauen
, dehnte sich und sagte, sie sei jetzt erlöst. Von diesem
Zeitpunkte ab hörten die Spukerscheinungen auf.
Frau S. starb am 27. März an dem Unterleibsleiden, das
sie längere Zeit hatte.
Nach den Angaben, die mir der Ehemann der Frau S.
und ihre Tochter Frieda, die die ganze in Frage kommende
Zeit mit der Frau S. zusammen gewesen sind, in völlig einwandfreier
Weise gemacht haben, ist es ausgeschlossen, daß
Frau S. selbst die Geräusche und die Bewegungen hervor-
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