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568 Psychische Studien. XLVHI. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1921.)
Parapsychische Phänomene sind noch viel mehr von diesen
und anderen noch unbekannten Faktoren abhängig, schwinden
oft für längere Zeit, um plötzlich wieder da zu sein.
Jeder Künstler, jeder Dichter weiß, wie lange es oft dauert,
bis wieder die Stimmung da ist.
Die größte Anzahl der gegnerischen Wissenschaftler hat
sich nie mit parapsychischen Studien abgegeben, weiß also
nicht mehr von diesen Dingen, als ein gewöhnlicher Laie.
Das hindert aber diese Herren nicht, in Zeitungen und Fachschriften
ihre gegnerischen Artikel erscheinen zu lassen, die
gewöhnlich den einleitenden Satz enthalten: „Ich bin zwar
auf diesem Gebiete nicht erfahren, aber — —-!" Dann
folgt die durch kein einschlägiges Studium getrübte Weisheit
, der die Zeitungen gerne ihre Spalten öffnen, denn sie
stammt von einem, mit einem hochtrabenden Qelehrten-
titel ausgestatteten Herrn. Dem Kenner aber, dem Forscher,
der Neues und Richtiges zu sagen hätte, werden seine Arbeiten
vo:i den Redaktionen zurückgewiesen. Es ist einige
Wochen her, da war bei mir durch einige Tage eine Dame
auf Besuch, die mittags, beim hellsten Sonnenschein, in
ihrer Umgebung, wro doch alles deutlich sichtbar war, die
merkwürdigsten Phänomene aufwies: Unaufhörliches Klopfen
, bald im Tisch, bald in der Wand; ich und meine Frau
wurden wie von unsichtbarer Hand beständig berührt. Alles
bei hellichtem Tage, wo jede Kontrollmöglichkeit geboten
war und ich in der Untersuchung derartiger Erscheinungen
gewiß kein Laie bin. Das wäre doch gewiß eine Sache,
von der man glauben dürfte, daß sie wißbegierige Aerzte
interessieren dürfte. Wollte ich aber darüber einen Bericht
an eine medizinische oder psychologische Fachzeitung einsenden
, so wäre bloß schade um das Briefporto. Hätte ich
gar noch hinzugefügt, was die Dame erst am Abend bei
guter, roter Beleuchtung, auch bei weißer, ohne jedes Kabinett
, freisitzend bei oder neben dem Tisch, wobei jeder
Teilnehmer seinen Standpunkt, wie er wollte, wählen konnte,
an Leistungen parapsychischer Art bot, dann hätten mich
die Redakteure der betreffenden Fachzeitungen wohl für
geistig gestört gehalten. Zu meinem Qlück kann der von
mir eingeladene Primarius einer bekannten Irrenanstalt samt
dessen Frau als bestätigende Zeugen für die Tatsächlichkeit
der Phänomene dienen.
Als Beweis des wissenschaftlichen Interesses, das diesen
Dingen gegenüber herrscht, möchte ich folgendes anführen.
Da ich am ersten Tage gesehen hatte, welch großartiges
physikalisches Medium diese Dame sei - auch Dr.
v. Schrenck-Notzing hat sie in ihrem Wohnort beobachtet
und die gleichen Erfahrungen gemacht — und da gute derartige
Medien zu den größten Seltenheiten gehören, so
scheute ich in wissenschaftlichem Drange nicht den weiten
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