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Kindborg: Der Streit um die Telepathie. 597
haupt halte ich es nicht für angebracht, das ganze Problem
der Telepathie nur durch Tabellen und Statistik lösen zu
wollen. Man kann diese allerdings nicht entbehren,
wenn bei den zu stellenden Aufgaben die Auswahl der
in Betracht kommenden Lösungen eine geringe ist, wenn
also zum Beispiel die Zahlen von 1 bis 10, die Vokale, oder
Farben und Früchte zuvor als Versuchsgegenstände angegeben
sind. Es gibt aber Versuche, die durch die Genauigkeit
der Wiedergabe in sich überzeugend wirken, wie
— um von meinen Versuchen, die ich an der genannten
Stelle mitgeteilt habe, und im Laufe dieser Arbeit noch,
mitteilen werde, ganz abzusehen — die Versuche von Hofmann
und Freudenberg. Diese von dem erstgenannten Mitarbeiter
in Nr. 1 1921 der Psychischen Studien veröffentlichten
Versuche gehören zu den besten, die auf diesem
Gebiete angestellt worden sind. Zwei ältere und in kritischer
Arbeit erfahrene Fachgelehrte — ein Arzt und ein Chemiker
— hatten sich hier vereinigt (wie nimmt sich daneben die
Behauptung von Moll aus, daß die Experimentatoren mit
ihren Medien meist im Liebesverhältnis stünden?), um
durch 800 Meter Entfernung voneinander getrennt von einer
Wohnung zur anderen telepathische Versuche zu machen.
Ich brauche sie nicht im einzelnen zu schildern, da sie
ja den Lesern dieser Zeitschrift bekannt sind. Nur hervorheben
möchte ich, wie lächerlich hier die Einwände
der unbewußten Zeichen und des Flüsterns sind; ferner
darauf aufmerksam machen, daß der eine Versuch, wie
dies auch ider Berichterstatter ausführt, ein Beweisstück
dafür bildet, wie immer nur bereits vorhandene Vorstellungsbilder
durch die Telepathie angeregt, nicht aber neue geschaffen
werden können. Herr Freudenberg wollte die
Cäsarstatue auf der Bonner Rheinbrücke übertragen; Herr
Hofmann, der von deren Existenz keine Ahnung hatte,
empfing den Eindruck einer anderen auf der Bonner Rhein-
brücke angebrachten ihm bekannten Figur, des als Architektenscherz
allen Fremden gezeigten Bonner Brückenmännchens
. Auch über einige gelungene Bildübertragungen
auf 35 Kilometer Entfernung von Mehlem nach Köln, die
mit einer anderen Versuchsperson angestellt waren, berichtet
Herr Hof mann. Angesichts solcher Versuche halte ich es,
wie gesagt, für unangebracht, die Ergebnisse immer nur
nach der Zahl der Treffer zu beurteilen, obwohl in den von
Hofmann mitgeteilten so gut wie alles Treffer gewesen sind.
Aber auch sonst muß man derartige Versuche wägen und
nicht zählen. Denn der rein zahlenmäßige Beweis kann
schon deshalb versagen, weil wir ja in keinem Augenblicke
die Versuchsbedingungen beherrschen. Diese können, wenn
es sich nicht um besonders gute Versuchspersonen handelt,
an einem Tage sehr günstige sein, am anderen nicht. Ja
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