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610 Psychische Studien-, XLVII1. Jahrg. 11. Heft (November 1921.)
sichtskarten mit Landschaften zu nehmen, auf die eiae
Schilderung von Wald, Feld, Wiesen, Haus fast stets zu*
trifft." Nun habe ich in meinen Versuchen Gegenstände
als Aufgaben verwendet, wie z. B. das mit allen Einzelheiten
wiedergegebene Messer, eine Visitenkarte, bei der Buchstaben
an richtiger Stelle erkannt wurden, und anderes mehr.
Ich hatte also gehofft, Molls eigene Wünsche hinsichtlich der
VersuchsanOrdnung ci füllt zu haben. Trotzdem wird mir
zwischen wunschbeeinflußtem Hysteriker und Schwindler
die Wahl gelassen.
Ganz ähnlich berichtet über dieselbe Arbeit das andere
Kommissionsmitglied Dessoir. Er gibt in seinem bekannten
Werke „Vom Jenseits der Seele" zwei Versuche Naum
Kotiks und zwei scheinbar darauf passende Antworten
wieder, um hinterher den Leser darauf aufmeiksam zu
machen, daß er die zu den Aufgaben gehörigen Antworten
willkürlich vertauscht habe. Daiaus wird dann ähnlich, wie
bei Moll, der Schluß gezogen, daß alle Aufgaben einander
ähnlich gewesen seien, die Antworten daher immer ungefähr
hätten passen müssen. Ich erklärte demgegenüber dasselbe,
was Krön er zu meinen und Tischners Gunsten Moll gegenüber
erklärt hat ^Psych. Stud. 1921, S. 442): ,,Bei Tischner
und Kindborg beanstandete Redner einige hellseherisch zustand
egekommene Beschreibungen und Zeichnungen, deren
Vieldeutigkeit die wunschbeeinflußte Phantasie der Experimentatoren
zu positiven Ergebnissen gestempelt habe. (Was
unzweideutig richtig war, verschwieg Moll wohlweislich.)"
Dasselbe gilt für Kotik und Dessoir. Das Publikum möge
daraus ersehen, wie unbequeme wissenschaftliche Bücher
kritisiert werden.*^ Ich bin überzeugt, daß jeder unbefangene
Leser der Naum Kotikschen Schrift, wenn er auch die Versuchsbedingungen
nicht nachprüfen kann, sich über die
Fülle des gebotenen und durchaus nicht immer gleichartigen
Versuchsmaterials wundern wird. Daß unter dieser Fülle
auch einmal zwei ähnliche Landschaftsbilder gewesen sind,
deren Beschreibung dann auch ähnlich ausfallen mußte, berechtigt
meines Erachtens nicht dazu, gerade diese beiden
aus der Gesamtheit herauszugreifen. Bei der Kritik von
Moll wäre noch nachzutragen, daß er sich darin gefällt, vom
Richterstuhl des kritischen Beobachters aus geradezu unerfüllbare
Versuchsbedingungen zu stellen. Es genügt ihm
nicht, daß Briefe im verschlossenen Umschlag gelesen
werden. Sie sollen in verschlossene Kassetten gelegt sein.
*) In einem für weite Kreise berechneten Aufsatze (in der Nummer
vom 25 Juui der „Woche" 1921, den ich erst kürzlich las, spricht Dessoir
nichtsdestoweniger von der Telepathie als von etwas Erwiesenem und Selbstverständlichem
und berücksichtigt sie sogar, wie ich weiter unten, als
Fehlerquelle. Es wäre interessant zu erfahren, wodurch sich diese Wandlung
in aller Stille vollzogen hat«
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