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Harter: Die Kritik der parapsychologischen Forschung. 627
nur die zukünftige Kuriositätenliteratur vermehren hilft, so
haben wir es doch anderseits auch mit einer kleinen Reihe
ernster zu nehmender Kritiker zu tun.
Es sind dies — vom Auslande will ich hier absehen —
einige deutsche Wissenschaftler von hohen geistigen Qualitäten
, die es auch nicht unter ihrer Würde gehalten haben,
auf parapsychischem Gebiete zu experimentieren. Die Kritik
dieser Herreu fällt also schwerer ins Gewicht, da man
ihnen in wissenschaftlichen Kreisen ein großes Vertrauen
^entgegenbringt. Nach allem aber, was ich bis jetzt von
diesen Wissenschaftlern, die sich ja auch bereit gezeigt haben,
parapsychische Phänomene weiter zu prüfen, über ähnliche
Themen gelesen habe, kann ich nicht umhin, auch diesen
Herren einige Vorbehalte zu machen, die sie bei ruhigem
Nachdenken vielleicht selbst unterschreiben werden. Vor
allem lassen die Herren eine gewisse Unbefangenheit gegenüber
der Parapsychologie vermissen, man hat beim Lesen
ihrer Arbeiten stets entweder vollständig oder mehr oder
weniger den sicheren Eindruck, daß die Autoren dieser
jungen Wissenschaft nicht kühl kritisch, sondern eher feiad-
selig gegenüberstehen. Die gewissermaßen voraussetzungs-
volle Art, in der diese Herreu an die ganze Sache herantreten
, erzeugt naturgemäß ein gewisses Mißtrauen gegenüber
den Urteilen, die sie gefällt haben oder fällen wrerden.
Das erste, was man von einem Richter verlangen muß,
ist absolute UnVoreingenommenheit. Ein befangener Richter
wird auch beim gewöhnlichen Gerichte mit Recht abgelehnt
weiden, denn man traut ihm kein gerechtes Urteil zu.
Es kommt aber noch etwas anderes dazu: die mißtrauische
Atmosphäre gegenüber parapsychischen Phänomenen, die
jene Wissenschaftler um sich geschaffen haben, beeinträchtigt
wieder in hohem Maße die parapsychischen Experimente
, die die Herren gemacht haben oder noch machen
werden und auf diese Weise entstellt eine neue Quelle für
Fehlurteile. Wenn man mit Menschen experimentiert, muß
man auch der menschlichen Psychologie allerorts Rechnung
tragen. Psychologische Untersuchungen lassen sich mit sonstigen
Untersuchungen eben nicht in eine Parallele stellen.
Die psychologische Einstellung des Prüfers beeinflußt die
des Prüflings in hohem Grade. Dem psychologisch Geschulten
erzähle ich ja damit nichts Neues. Wer je schon
während seiner Studienzeiten einem Prüfer gegenüber gesessen
ist, der als allzu streng bekannt war, oder vron dem
man wußte, daß er eine gewisse Voreingenommenheit einem
gegenüber hatte, wird noch sehr gut wissen, in wie hohem
Grade hemmend ein derartiger Examinator auf die psychischen
Leistungen des Examinanden einwirkte.
Parapsychische Phänomene sind nun meist nur bei seelisch
leicht beeindruckbaren Personen zu finden, das ist eine alte
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