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Mailly: Das geheime Buch der Weisheit. .631
Schriften und Statutenbüchern klar hervorgeht. *) Um 1700
zeigten sich die ersten Spuren sich ausbreitender katholischer
Rosenkreuzerei, die ihre Mitgliederschaft zumeist im alten
Oesterreich und in Süddeutschland, als streng katholischen
Ländern, verbreitet hatte. Die Schwärmerei für alles Mystische
als Zeiterscheinung überraschte daher auch die katholischen
Kreise, und es war Aufgabe bestimmter geistlicher
Orden, diese maurerischen Kreise für sich zu gewinnen, um
einem eventuellen Glaubensabfalle vorzubeugen. Man verfaßte
katholische Rosenkreuzerstatuten, die aber nicht gedruckt
wurden und bis auf den heutigen Tag sich auch nur
als Handschriften erhalten haben. Es steht außer Zweifel,
daß die Jesuiten diesen „politischen Zug" besorgt hatten;
die maurerischen Schriftsteller Nicolai, Biester und viele
andere maßgebende Zeitgenossen bestätigen diese historische
Tatsache in ihren Schriften.
Im Besitze der wortgetreuen Abschrift eines katholischen
Rosenkreuzerstatutenbuches aus dem 18. Jahrhundert, bietet
sich mir Gelegenheit, dasselbe vom kulturhistorischen Standpunkte
aus zu beleuchten. Das Manuskript, das in mangelhaftem
Deutsch verfaßt ist, führt den vielversprechenden
Titel „Das geheime Buch der Weisheit zum langen Leben
und vollkommenen Reichtum" und macht auf den ersten
Blick den Eindruck, eines der vielen alchimistischen Werke
zu sein, die in der Rosenkreuzerepoche zu Hunderten niedergeschrieben
und herausgegeben wurden.
Ich blättere das Buch auf. In netter Schrift steht es gleich
auf der Titelseite als Fußnote geschrieben: „Dieses Buch
erhielt ich —• nil fallor — 1827 von dem alten Herrn Von
Breitenau. Ich weiß nicht, warum er es mir gegeben. Er
war allerdings bedenklich krank, tat dergleichen, daß er
mir dieses Buch als einen geheimen Schatz anvertraue —
mit dem odi profanum vulgus et arceo!" Darunter ein „V".
Soweit es eben ging, verfolgte ich diese Spur und erhielt als
Resultat, daß der Verfasser dieser Note, „V" ein „Lorenz
von Vest" war. Breitenau war ein leidenschaftlicher Herme-
tiker, der um 1827 in Graz starb, während Lorenz von Vest
der berühmte Arzt und Naturforscher war, der das Vestum
(Metall * entdeckt hat und im Jahre 1840 zu Graz starb.
Weitere Recherchen haben ergeben, daß die Anhänger
dieses katholischen Rosenkreuzerordens in Wien, Graz, Laibach
, Klagenfurt und in anderen österreichischen Provinzstädten
gelebt haben.
Das Statutenbuch zerfällt in vier Hauptteile. Die ersten
drei behandeln in konfuser Weise die Darstellung einiger
hermetischer Mittel, der vierte Teil enthält Partikularien
*) Vgl. Das Statutenbuch des Renatus Sinceius a. d. Jahre 1710 und das
Statutenbuch, das Dr. Ferd. Maack in der Gnosis Ko. 6 u. 8 (Wien 1903)
veröffentlicht hat.
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