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XVIII
liegenden Schriften habe ich allerdings nicht gekauft., da mir
diese Literatur zur Genüge bekannt ist.
Gemäß einer Rundfrage in einem älteren Jahrgang der
„Chrouique medicale" befinden sich schwarze Madonnen noch
an folgenden Orten:
1. in der Notre-Dame-Kirche von Hai (Brabant), die sogenannte
„Zwarte Liewe Vrouw",
2. in der Kathedrale von Toledo (Spanien),
3. zu Rocamadour (Frankreich),
4. in der Kathedrale von Clermont-Ferrand (Frankreich),
5. in der Kathedrale von Puy (Frankreich),
6. in der Kirche Notre-Dame-du-Port zu Clermont (Frankr.)
7. zu Mauriac, **
8. zu Besse (ein alter Flecken an der Grenze zwischen dem
Cantal und Puy-de Dome (Frankreich),
9. zu Chaton (Seine-et-Oise) Frankreich.
10. zu Brüssel existiert auch eine, rue de la Vierge noire.
In dieser Zeitschrift wurde auch die Ansicht vertreten, daß
die meisten dieser Bildwerke zu Ende des VIII. oder zu Beginn
des IX. Jahrhunderts entstanden sind.
Daß die schwarze Farbe nicht sexualsymbolisch determiniert
ist, und auf Hetärismus deuten soll, lasse ich gern gelten, denn
diese Auffassung widerspräche ganz dem Geist des katholischen
Marienkulius, dessen letzte Konsequenz das Dogma der unbefleckten
Empfängnis bildet. Die überwiegende Mehrzahl der
Madonnen, die ich gesehen habe, tragen das Jesuskind auf dem
linken Arm. Dieser Umstand soll m. E. keine bestimmte
Absicht ausdrücken und ist zwanglos durch die allgemeine
Rechtshändigkeit zu erklären. Lasten werden gewöhnlich von
der linken Hand getragen, um die geschicktere rechte Hand
zu feineren Verrichtungen frei zu haben. So hält denn auch
meist Maria, die „Himmelskönigin", in der rechten Hand das
Szepter.
Der von Ihnen unternommene Versuch, die Symbolik der
schwarzen Madonna aus der von Jenning erwähnten Ideenverbindung
von Gott und Finsternis herzuleiten, wirkt nicht
ganz überzeugend, denn ich gestatte mir zu bemerken, daß
nach der orthodoxen Lehre der Eine Gott von jeher aus drei
Personen: Vater — Sohn — hl. Geist bestand und demgemäß
eine vierte Person keinen Anteil an der Göttlichkeit besaß.
Logischerweise kann daher auch keine Analogie zwischen Maria
und Gott-Finsternis angenommen werden.
In glaube, die Symbolik und der Ursprung der schwarzen
Madonna läßt sich auch noch anders erklären.
Die alte Mysterienweisheit bestand in der Kenntnis der Beziehungen
zwischen der sichtbaren Welt der Erscheinungen und
der unsichtbaren Welt der Ursachen. Das Mittel, dieses Verhältnis
zu erkennen, war die Lehre der Entsprechungen,
der Analogie. Als Ausdrucksmittel dieser Erkenntnis dienten
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