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Silberer: Zur Charakteristik des lekanomantischen Schauens. 6<>1
er mich mit seinen Küssen töten könnte. Auch von
Richard*) habe ich Aehnliches gedacht." fln den lekan.
Vers, kam auch öfters der Gedanke vor an eine verzehrende
oder tötende Kraft der Liebe. Auch der Ausdruck des Sich-
Selbst-Verzehrens oder Verbrennens vor Leidenschaft und
Sehnsucht wurde gebraucht. Zusammenhang von Liebe und
Tod. Auch auf der Höhe der Leidenschaft im Genuß er-
stirbt man für das äußere Leben. Vgl. die Feuer- und Bergsymbolik
in den lekanomantischen Versuchen.]
38. Brand- Wunde. — Diese Assoziation ist nicht
so zu verstehen, daß „Wunde" das Reizwort zu der Zusammensetzung
„Brandwunde" vervollständigen soll. [Die
Verbindung hat eine reichere Determination, als man vielleicht
meint. Die ersten Einfälle Leas führen, wie man
gleich sehen wird, auf zwei Wege, die sich schließlich vereinigen
.! „Eine W unde wird brandig, der Brand führt zur
Blutvergiftung, diese zum Tod. Unser Haus, wo wir
{Leas Familie) wohnten, als ich noch klein war, brannte
ab; es sah dann aus wie eine offene Wunde." Der Brand
wurde dadurch verursacht, daß de* Vater Leas eine Lampe
fallen ließ. „Offene Wunde" erinnert an ein Gedicht,
dessen Inhalt ungefähr dieser ist: „Ich bin eine offene
Wunde und brenne. Es quält mich das Licht, es quält
mich der Schatten. Deinetwegen bin ich gekommen, Dich
will ich haben, küsse, küsse mich aus! usw." („Ausküssen44
wie Aussaugen einer Wunde.) - [Ich muß hier daran er
innern, daß im VI. lekan. Vers., S. 437 ff., die Vision eines
Berges auftauchte, der oben wie eine offene Wunde
war, in der ein Feuer brannte. Auch dort gab es
eine Verbindung von „Wunde" und „Brand" ohne die Idee
\on „Brandwunde". Vielmehr war das Brennen ein Akzidens
der Wunde oder aber es entwickelte sich eins aus dem
anderen. Zur Erläuterung der in dem Bilde steckenden
Idee diente bei der Analyse der Vision eben jenes Gedicht,
welches sich auch jetzt Lea aufdrängte. Dasselbe zeigte
in Verbindung mit anderen Einfällen - ganz deutlich,
daß „Wunde" und „Brand" ganz dasselbe sind, nämlich die
Liebeswunde und der Liebesbrand oder, in eines zusammengezogen
, die brennende Liebeswunde. Der Assozia
tion Nr. 38 liegt genau derselbe Gedanke zugrunde wie damals
der Vision, nur verraten die Einfälle diesmal noch
ein Stückchen mehr, indem sie den Autor desjenigen Brandes
und derjenigen Wunde enthüllen, welche die Vorbilder für
alle späteren gleichbetonten Erlebnisse Leas abgeben: den
*\ra ter. Er ist es gewesen, der den ersten (realen) Brand
hervorrief, der auf das Kind Lea einen nachhaltigen Ein
:) Vgl. AssoziatioQ Nr. 2 der ersten Serie, wo von dem Grauen die
Rede war, das Lea vor Richard empfand. Vgl. auch das Ohnmaehtserleb-
nis. Die Gleichung Sterben —Orgasmiis drängt sich dem Deuter auf.
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