http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0734
<«i Psychische Studien. XLVIII. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1921.)
Medien zeigen eine besonders entwickelte Anlage zur
Persönhehkeitsspaltung. Wenn es auch durchaus nicht notwendig
ist, daß jedes Medium pathologisch sei, so werden
wir doch wohl in den meisten Fällen einige neurotische
Züge nachweisen können.
Herbert Silberer in Wien hat es unternommen, Experimente
mit einem Medium anzustellen zum Zwecke psychoanalytischer
Untersuchungen. Die Gesichte, die das Medium
empfing, zeigten immer wiederkehrende Typen, die enge
Beziehungen zu den Komplexen hatten, an denen das beireffende
Medium litt. Silberer berichtet, daß nahezu jede
m den Gesichten vorkommende Figur und jede Szene sich
aus diesen affektbesetzten Komplexen des Mediums her
leiten ließ, die bis ins Infantile zurückreichten. Wir haben
bereits schon auf die Bedeutung der Kindheits^rinnerungen
für die medialen Produktionen hingewiesen.
Frei d hat uns gezeigt, daß schon das Kind sexuelle
Wunschregungen kennt. In frühen Jahren setzt bereits die
Verdrängung peinlicher, und darum bewußtseinsunfähiger
Vorstellungen ein. Allerdings müssen wir den Begriff der
Sexualität im Freudschen Sinne in viel weiterem Maße
auffassen, als dies für gewöhnlich geschieht, und vieles
mit hinein beziehen, was sich nicht der Fonpflanzung's-
funknon < mordnet.
Sowohl im Traum wie im France spielt die Erotik eine
große Rolle. Die verdrängten Wünsche und Begierden,
die sich beim Normalmenschen im Traum ausleben, brechen
beim Medium in seinen Talentäußerungen durch. Die fortschreitende
Kultur nötigt zur Sexual Verdrängung aller „kul-
i urwidrigen" Triebe, die sich aber gegen diese Unter
drückung sträuben. Was das Leben uns versagt, verschaffen
wir uns in unseren Träumen und Tagträumeieien. Diese sind
Wunscherfüllungen, und mit ihnen können wir die Produktionen
des Mediums vergleichen.
Hans Freimark hat uns in seinen verdienstvollen Arbeiten
*) gezeigt, daß die Medialität stets mit sexueller Eigen-
und Andersartigkeit der Medien gepaart ist. - Wie in der
Neurose und im Kunstschaffen, so spielt auch in der Me
dialität die Erotik eine bedeutende Rolle. Wichtig für das
Auftreten der Leistungen ist das Alter, in dem sich das
Medium befindet. Die Produktionen stehen im Zusammen
hang mit den in der Pubertät durchbrechenden physiolo
gischen Charakterveränderungen und dem erneuten Durchbrach
der Sexualität, der oft zu Pubertätsstörungen führt.
Meistens verschwinden diese Störungen mit dem Ende der
Pubertät, und damit oft auch die mediale Begabung. Letz
t*Rans Freimark; Okkultismus u, Sexualität. Leipiig 1909. — Mediumistische
Kirnst, Leipzig: 1914»
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0734