Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
48. Jahrgang.1921
Seite: 699
(PDF, 212 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0745
Kindborg: Nochmals der Okkultistenkongreß in Cassel. (>9ü

\oneinandet zu dieser Ansicht. Die Spiritisten fanden jedoch einen Ausweg
in der Erklärung, daß, wenn der Geist eines Franzosen sich der
ungeübten Sprachorgane eines Deutschen bediene, eine verständliche
Aussprache natürlich nicht zu erwarten sei. Das schlimmste war aber
ciie vom Vorsitzenden angekündigte Vorführung einer Levitationserschei-
nung (Aufhebung der Schwerkraft), wobei Suggestionswirkung ausgeschlossen
sein sollte. Was geboten wurde, war gerade nichts weiter
als die auf suggestivem Wege zustande gekommene Erhebung der Arme
hei einigen um einen Tisch gruppierten Versuchspersonen. Daß diese
suggestiv Beeinflußten dabei, wie bekannt ist, keine Ermüdung spürten
und daher die Anne minutenlang hoch halten konnten, wurde als Authebung
der Schwerkraft ausgegeben. Man könnte hierüber mit den
Worten: Sapienti sat zur Tagesordnung übergehen, wenn eben nicht nut
sehr wenige sapientes im Saafe gewesen wären, und wenn nicht derart
kritiklose und in den Grundzügen wissenschaftlicher Erkenntnis unbewanderte
Veranstalter sich anschicken wollten — in Kassel eine Hochschule
/u errichten, Kommt diese zustande, so werden, wie man jetzt schon voraussagen
kann, die nicht ausbleibenden Suggesitivheilungen geeigneter Kranker
dazu beitragen, die Irrlehren der Begründer in weite Kreise zu tragen.

Geradezu lächerlich aber mußte es auf jeden einigermaßen nüchtern
Denkenden wirken, wenn der Vorführende, als eines der Medien unruhig
wurde, dies dem Publikum mit den Worten erklärte: „Die Geister wollen
jetzt alle aui einmal von dem Körper des Mediums Besitz ergreifen"
und diese Geister dann mit den Worten anredete: „Nur nicht drängeln,
es kann immer nur einer 'ran." Ebenso lächerlich wirkten die ermunternden
Zurufe an drei pantomimisch mit Zuggebärden in der Luft arbeitende
Medien, die auf mehrere Meter Entfernung eine an der Brust
einer Versuchsperson steckende Brosche apportieren sollten. Der Eindruck
war ungefähr der, als ob jemand drei an einem Seile ziehende
Hafenarbeiter anfeuern wollte: „Zieh, zieh (folgte der Name des Geistes,
den ich vergessen habe, sagen wir Emil), und wenn deine Kraft nicht
ausreicht, nimm dir noch den Geist August zu Hilfe." Die Versuchsperson
— ein junger Mann aus der Kongreßleitung, dem die Brosche
angesteckt war — bekam schließlich aus nicht ersichtlichem Grunde einen
Zitteranfall, in dessen Gefolge die Brosche herabfiel. Ob und wie sie
fc?tgesteck1 war, ob sie mit geöffneter oder mit geschlossener Nadel zu
Boden fiel, dies einwandfrei feststellen zu können wurde leider keine
Gelegenheit geboten. Alles in allem, wenn, die gezeigten Versuche irgendwie
—- was ich nicht für ausgeschlossen halte — Goldkörner geborgen
haben, so trug die Art der Veranstaltung nur dazu bei, statt sie auszugraben
, sie nui noch tiefer zu verschütten.

War aber der wissenschaftlich Denkende nicht auf seine Rechnung
gekommen, so waren andererseits auch die Spiritisten mit dem Verlaufe
namentlich des zweiten Abends unzufrieden. Teils weif sie die Darbietungen
wenig geglückt und namentlich, für den ferner Stehenden wenig
überzeugend fanden, teils weil die Medien des öfteren von heftigen
Zuckungen mit oder ohne Ortsbewegung ergriffen worden waren. Denn
diese jedem Nervenarzte geläufige Erscheinung der Hystero-Hypnose
wird von den spiritistischen Kreisen als ein Besessensein von niederen,
unreinen Geislern angesehen und gefürchtet. Zu allem Mißglückten kam
noch eine persönliche Mißstimmung gegen den Kongreßleiter, der erst
/um Vorsitzenden des am ersten Kongreßtage neugegründeten Bundes
gewählt, dann aber wieder abgesetzt wurde. Infolge dieser allgemeinen
Unzufriedenheit wurde der dritte Experimentalabend abgesagt und die
Darbietungen durch zwei Vorträge über das bisher Gebotene — einen
von einem überzeugten Spiritisten, jedoch immerhin ruhig und sachlich,
und einen in wissenschaftlicher Beleuchtung vom Referenten *) — ersetzt.
Der neuerwählte Vorstand des gegründeten „Deutschen Zentralbundes für
Geisteswissenschaften" wird erst erweisen müssen, daß diese Vereinigung
etwas anderes als einen Bund deutscher Spiritisten zu bedeuten hat.

~*Y De7~im November-Heft S. 640 erwähnte Vortrag eines Casseler
Psychiaters ist gemeint.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1921/0745