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Mikuska: Das Problem des Lebens. 7
perchen, Fäserchen, Waben) darin zu entdecken, so können
uns doch alle diese Formelemente keinen Aufschluß geben,,
wie das Protoplasma die aufgenommenen Nährstoffe in
seino eigenen Bestandteile umsetzt und wie durch Reize die
dynamischen Leistungen desselben entstehen. Denn alle
diese Formelemente sind eben wieder Produkte der form-
bildenden Kraft, und die eigentlichen Lebenserscheinungen
haben auch nicht ihren Sitz in dem differenzierten Teile des
Protoplasmas, sondern wir müssen sie vielmehr jener strukturlosen
Substanz zuschreiben, die wir Hyaloplasma nennen,
und zur Strukturerkenntnis des Hyaloplasma reichen unsere
heutigen optischen Hilfsmittel in keiner Weise aus. Zur
chemischen Erforschung des Protoplasmas muß bemerkt
werden, daß eine Analyse seiner chemischen Einheiten gar
nicht denkbar ist.
Obgleich also die Synthese der Eiweißstoffe die Wissenschaft
zur Erkenntnis der materiellen Basis des Lebens geführt
hat, das Problem des Lebens selbst bleibt durch sie
ungelöst und unberührt, denn das Schaffen und der Aufbau
der Organe ist niemals Aufgabe der Chemie. Zwar
wissen wir, daß z. B. die Zellhäute der Pflanzen sich auf
Kosten des Zuckers und der Stärke aufbauen, die sich früher
als Reservestoffe aufgestapelt haben, zwar ist es gewiß, daß
elastische oder Bindegewebsfasern aus stickstoffhaltigen Teilen
der tierischen Nahrui^g abstammen, aber die Umwandlung
von Stärke in Zellulose oder des Eiweißes in leim-
gebendc Fasern hat noch niemand ohne Intervention von
lebendem Protoplasma im Körper beobachtet, ebenso wie
wir uns weder durchs Experiment, noch durch direkte Beobachtung
Aufschluß geben können, woraus die zahllosen
Körnchen, Fäserchen, Platten, Membranen, Röhren unmittelbar
hervorgehen. Und so mögen wir mit Berthellot resigniert
sprechen: ,,Niemals kann der Chemiker behaupten, er werde
im Laboratorium ejn Blatt, eine Frucht, Muskel oder ein
anderes Organ schaffen. Das alles sind Dinge, die ganz das
Gebiet der Physiologie betreffen. Die Aufgabe dieser ist es,
diese Begriffe zu diskutieren, die Entwicklungsgesetze der
ganzen, vollkommenen, lebenden Organismen zu entdecken,
ohne welche der Organismus weder eine Lebensursache,,
noch eine Lebensbasis besäße."
Die Lösung des Lebensrätsels auf physiologischem
Wege begann eigentlich erst mit dem Auftreten Justus L i e -
b i g s, der als erster die Kraftleistungen des Körpers vom
Zusammenbruche der organisierten Bestandteile herleitete.
Seine Vorstellung, die sog. „Katabolistische", die er in die
Wissenschaft eingeführt, betrachtete den Organismus als
eine Wärrnemaschine, in welcher durch Verbrennung der
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