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8 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1922.)
Nahrungsstoffe Wärme entstehe — die Quelle der verschiedenen
Aibeitskräfte der Muskeln und Organe. Aehnliche Vergleiche
des Lebensprozesses mit dem der Verbrennung
sprach schon im Altertum der große griechische Philosoph
H e r a k 1 i t aus. Das Leben, alle Lebensvorgänge sah dieser
geniale Denker in einem allmählichen, stetigen Wechsel
und faßte so auch das Leben als ,,Feuer" auf, als einen besonderen
Verbrennungsprozeß. Diese und ähnliche philosophische
Ansichten erhielten ihre wissenschaftliche Basis
in den Arbeiten L i e b i g s und Robert Mayers, des Begründers
der mechanischen Wärmetheorie Der letztere
dachte sich den Muskel als eine durch Wärme betriebene
Kraftmaschine, die aus eiweißartigem Material aufgebaut
ist, wie die Dampfmaschine aus Stahl, und so wie in dieser
letzteren Kohle zum Zwecke der Kraftleistung verwendet
und dabei das Baumaterial abgenützt und oxydiert wird,
ebenso sollten bei der Muskelkontraktion Fette und Kohlehydrate
als kraftspendend verbrannt werden und die stickstoffhaltigen
Exkrete von der Abnutzung der Maschinenteile
herrühren. Der Muskel war nach R. Mayer also ein
Werkzeug, mittels dessen die Umwandlung der Kräfte erzielt
wird, aber nicht der Stoff, der umgesetzt wird; dabei
waren R. Mayer und seine Nachfolger von der Voraussetzung
ausgegangen, daß die Verbrennung der Nährstoffe
innerhalb der Blutgefäße vor sich gehe. — Das Blut sollte
eine langsam brennende Flüssigkeit darstellen, das Oel in
der Flamme des Lebens. Doch heute wissen wir, daß mit
Ausnahme der Vorgänge in den roten Blutkörperchen die
Oxydation nicht im Blute, sondern im Protoplasma der Gewebe
sich vollzieht. Der herauspräparierte Froschmuskel
setzt ohne Zusammenhang mit dem Blutkreislauf seine Kontraktionen
fort und vermag so Arbeit zu leisten; auch
Frösche, deren Blut ausgespritzt und durch Salzlösung ersetzt
wurde, konnten sich lange wie normale Frösche bewegen
. Es findet also die Verbrennung nicht in den Blutgefäßen
, wie in einem Heizraume, sondern in den bewegenden
Teilen selbst statt.
Lavoisier und Lap 1 ace waren die ersten, welche fanden
, daß die Atmung ein Verbrennungsprozeß sei, bestehend
in der Aufnahme des Sauerstoffs, und in der Abgabe der
Kohlensäure, und so glaubte man, daß auch das Leben ein
beständiger Oxydationsprozeß sei, bei welchem sich der
Sauerstoff mit den Nährstoffen der aufgenommenen Nahrung
verbindet und nach mechanischen (physikalisch-chemischen
; Gesetzen Wärme — Lebensenergie - hervorbringt.
Die Forschungsresultate der neuen Zeit zeigten aber, daß der
Prozeß nicht so einfach verläuft und insbesondere die An-
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