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Psychische Studien. XL1X. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1922.)
einer Miibkelbewegung, Drüsenabsonderung oder elektrischen
oder Lichtwirkung folgen könnte. Und schließlich
erklärt an.- die Fermenttheorie gar nicht die Entstehung der
Fermente selbst im Organismus. Die Enzyme sind doch
selbst Produkte der Stoffwechselprozesse und konsequent
müßte die Enzymtheorie auch die chemischen Prozesse,
welche zur Bildung dieser gelösten Fermente führen, auf
die Einwirkung von Fermenten zurückführen. - ^Sollten
diese vielleicht ebenfalls durch Fermentwirkung entstehen?
So führt uns auch die Fermenttheorie in einem endlosen
Zirkel herum und ist nicht imstande, uns heute eine Lösung
des Lebensproblems zu geben.
Eine Lösung des Lebensrätsels will lernec die osmotische
Theorie bieten.
Wie Hugo v. Mohl schon \or 50 Jahren scherzhaft bemerkte
, müßten wrir nach der osmotischen Theorie verlangen
, daß dadurch, daß man den Inhalt sämtlicher Gefäße
eines chemischen Laboratoriums untereinander in osmotische
Verbindung bringt, nicht allein eine gesetzgebende
Folgereihe von chemischen Prozessen in dem Inhalt dieser
Gefäße sich abspielt, sondern daß aus diesen chemischen
Umwandlungen auch noch neue Gefäße mit neuen osmotischen
Membranen hervorgehen, welche ihrerseits wieder
neue Mischungen und neue chemische Umsetzungen hervor
lufen. —
In allerneu^ster Zeit versprach der Biologie viel die neue
metabolische Theorie des Lebens, die auf der „Metabolie
" basiert, d. i. den Erscheinungen eines fortwährenden
Wechsels der materiellen Bestandteile des Organismus.
Diese metabolische Theorie, \ ertreten in Deutschland
durch \V undt, Weismann, P f 1 ü g e r, Hering und
andere, in Fi ankreich insbesondere durch Claude Bernard
, wurde auf ein zahlreiches Tatsachenmaterial gestützt,
theoretisch ausgebaut durch Professor Max Kussewitz
(Wien . In der Begründung seiner Theorie ging Ka^oowitz
zunächst ven der Untersuchung aus, in welcher \Vei?>e die
Reize auf cla^ lebende und irritable Fr >t«oplasma einwirken
und worin der unmittelbare Effekt dieser Einwirkung besteht
. Ls sind empirisch feststehende Tatsachen, daß alle
uns bekannten physiologischen Reize, wenn sie einen gewissen
Intensitätgrad überschreiten, eine Zerstörung und
Krtötung der lebenden Substanz und damit auch (»ine Uniwandlung
ihrer chemi^rhen Struktur herbeiführen, und daß
dieselben dynamischen Einwirkungen bei geiinger wStarke
als ph\biologischer Reiz wirken und z. Ii. die Am ibe und
den Muskel zur Kontraktion, die Druse zur Sekretion, den
Xerv zur Fortleitung der Erregung veranlassen. Man ist
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