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Colsman: Unsterblichkeit.
Herrn. Cohen, die persönliche Unsterblichkeit leugneten oder
doch in Frage stellten, von den Materialisten, den Positivistea
und Pragmatikern ganz zu schweigen. Ja selbst ein Irrationalist
wie Bergson glaubt auf Grand seiner Anschauung, daß die Seele
des Menschen lediglich in ihren zeitlichen Zuständen und Vorgängen
bestehe (nach der sog., auch von Wundt hauptsächlich
vertretenen „Aktualitätstheorie", im Gegensatze zur älteren „Sub~
stanzheorie", die einen Träger des Seelenlebens annahm, eine
seelische , Substanz"), die Möglichkeit ihres Weiterlebens über
den Tod hinaus verneinen zu müssen.
Aber die Gegenbewegung lieö nicht auf sich warten; zu sehr
fühlten die Menschen, und zwar nicht nur die dogmatisch eiliges
teilten^ das Ungenügen jener Anschauungen, und gerade in
unseren Tagen können wir ein von Jahr zu Jahr sich steigerndes
Schrifttum verfolgen, das jene vermeintlich endgültigen Erkenntnisse
und Schlußfolgerungen aufs schärfste in Frage stellt, ja
teilweise die Meinung vertritt, daß heute auf Grund vertiefter Erkenntnisse
weniger al& je die persönliche Unsterblichkeit bezweifelt
werden könne und düife. wenji man nur die ganze Frage
sowie den sie stützenden Tatsachen bestand vorurteilslos und ohne
trübende und entstellende Schulbrille betrachte. — Im folgenden
soll auf einige der bedeutsamsten einschlägigen Schriften hingewiesen
und alsdann geprüft und dargestellt werden, welche
Schlußfolgerungen aus dem beigebrachten Gedanken- und Tatsachenmaterial
zu ziehen sind.
An erster Stelle ist wegen ihrer Vielseitigkeit und Tiefe die
Jeine Schrift „Der Unsterblichkeitsgedanke als philosophisches
Problem" des Kieler Philosophen D. Dr. H. S c Ii o 1 z zu- nennen.*)
In einem ersten Abschnitte bringt er unter dem Titel „Zur Metaphysik
des Todes" die verschiedenen menschlichen Einstellungs-
möglichkeiten gegenüber dem Tode zur Darstellung, von den
„natürlichen", den „positivistischen", den „realistischen" und
pessimistischen" bis hin zu den verschiedenen Formen der
metaphysischen Einstellung, als deren klarste und reinste er diese
erkennt, der „der Tod, weit entfernt, ein Untergang zu sein, vielmehr
den Aufstieg der Seele zu höheren Lebensformen von unsichtbarer
, aber persönlicher Beschaffenheit bedeutet", (a. a. 0.
S. 93.) Als den Schöpfer dieses großen Gedankens bezeichnet er
PI a \ o . und dew»n im Phädon vorliegender Beweisführung sowie
der Kantischen Kritik an derselben ist der zweite Hauptabschnitt
gewidmet.
Plato stützt sich in seinen Darlegungen hauptsächlich auf zwei
Gründe, einmal die Präexistenz der Seele, aus der ihr Forlleben
nach dem Tode sich ohne weiteres ergebe, und zweitens auf die
Wesensverwandtschaft der Seele mit den Ideen, aus der die Ein-
*) Verlag Reuther und Reichert, Berlin 1920.
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