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Colsman: Unsterblichkeit.
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berührten Frage, ob die Seele nur funktionell oder auch substantiell
zu verstehen und zu erweisen sei. Er stellt sieh in Übereinstimmung
mit der heute in Deutsehland herrsehenden Psychologie
auf den ersteren Standpunkt, und wenn er trotzdem in dem
bedeutungsvollen Schlußabsehnitt des Buches unter dem Titel
,>Ueber die Grundlagen uud den Gehalt des Unsterblichkeits-
glaubens" sich rückhaltlos zum Unsterbliehkeitsglauben bekennt,
so mag man in Anbetracht der vielen Gegenargumente, die er in
UeberekiiStimmung mit der SehuiWissenschaft selber beibringt
ermessen, wie tief und lebendig dieser Glaube in ihm verwurzelt
sein muß. In feinen Ausführungen legt er die Grundlagen und
Quellen, dieses Glaubens dar, wobei er keinen Augenblick im
Zweifel darüber läßt, daß es sich bei seiner Beweisführung immer
nur um ein ».Glauben", ein Bewußtw erden inneren Erlebens, nie
um ein bissen, ein exakt nachweisbares Geschehen, handeln
könne. Dies aber seien die Quellen jenes Glaubens: in erster
Linie die inneren Erlebnisse der Unzerstörbaikeit des Geistes und
der Kraft, wie sie am wundervollsten Goethe und Fichte empfunden
und zum Ausdruck gebiachl haben, in Worten, die auch
hier angeführt werden mögen. „Wenn einer 75 Jahre alt ist'*,
äußerte Goethe zu Ecket mann, „so kann es nicht fehlen, daß er
mitunter an den Tod deuke. Wich läßt dieser Gedanke in völliger
Ruhe; den,n ich habe die reste Uebeizeugung, daß unser Geist
ein Wesen ist ganz unzerstörbarer Natiu. Er ist ein Fortwirkendes
von Ewigkeit zu Ewigkeil. Er ist der Sonne ähnlich, die bloß
unseren irdischen Augen unterzugehen scheint, die aber eigentlich
nie untergehl, sondern unauHiöilich fortleuehtel." Und Fichte:
„Es ist der erhabenste Gediuke unter allen, daß ich nie aufhören
kann, zu wirken, und mithin nie aufhöre, zu sein... Ich hebe
mein Haupt kühn empor zu dem drohenden Felsengebirge und
zu dem lobenden Wassersturz . . . und sage: Ich bin ewig und
trotze eurer Macht! Brecht alle herab auf mich, und du Eide
und du Himmel, vermischet euch in wildem Tumulte . . .: mein
Wille allein mit seinem festen Plane soll kühn und kalt über den
Trümmern des Weltalls schweben; denn ich habe meine Bestimmung
ergriflen, und die ist dauernder als ihr; sie ist ewig
und ich bin ewig wie sie!"
In zweiter Linie aber schlußfolgert Scholz Unsterblichkeit aus
dem Wesen der Individualität, die er als metaphysisch empfindet,
ferner aus dem Glauben an eine sittliche Weltordnung, die sich
in Anbetracht der Unvollkommenheiten nnd Ungerechtigkeiten des
irdischen Daseins nur in einem Leben nach dem Tode vollziehen
könne; endlich aus dem Gedanken und der Sehnsucht nach Vollendung
, die in jedes hochstrebenden Menschen Brust lebendig
seien, um sich in einem zukünftigen Leben der Läuterung zu erfüllen
. Er schließt mit dem Hinweis, daß der, dei so dem Uu-
sterblichkeitsgedanken gegenübersteht, sich gewiß seines Glaubens
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