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Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1022.)
tierung okkultei Ereignisse überhaupt noch nichts wußte,
kam ihm gar nicht der Gedanke, das Bett zu verlassen,
Licht zu machen und die genaue Zeit festzustellen. Das
Verlangen des Bauern, der Geistliche möge ihm in seiner
(des Sterbenden) Wohnung nochmals die Sakramente spenden
, war durchaus nicht unmotiviert, wie Dr. Bruck meint;
denn zur Spendung der Sterbesakramente gehört vor allem
die heilige Kommunion. Die konsekrierten Hostien werden
aber nur im Tabernakel der Kirche aufbewahrt. Daher
muß der Priester zur nächtlichen Spendung der Sterbesakramente
sich in die Kirche begeben und Hostie und
heiliges Oel holen, die beide nur dort aufbewahrt wjerden.
Es hätte also der Pfarrer nicht gleich im Pfarrhaus diq
Spendimg \omehmen können. Und da selbe stets (außerordentliche
Fälle ausgenommen) am Krankenbett gespendet
weiden, so vvar die Bitte des Bauern kein „Widersinn". Daß
der Tod wirklich um 1>11 Uhr eintrat, und daß diese Zeit
genau * om Pfarrer \orher gewußt wurde, bevor noch der
Sohn des Verstorbenen die Meldung gemacht hatte, maß
natürlich „Zufall" gewesen sein. Mit Traum und Zufall ist
ailes im Handumdrehen „erklärt".
Wenn die Schwester des Geistlichen nichts hörte, so
kann daraus logischerweise nicht gefolgert werden: also
lag tili bloßer Traum vor, sondern nur, die Erscheinung
war nicht objektiv real, aber 'de braucht acshalb keine
bloß sub)ekti\e Halluzination gewesen zu sein, sondern sie
war innerseelische telepathische Verbindung, die nur auf
den wirkt, auf den allein sie wirken sollte, wie dies in lau-1
send ähnlichen Fällen bezeugt ist.
Aber wir brauchen nicht einmal anzunehmen, daß das
Ereignis bei vollko m m e n e m Waohbe wußtsein stattfand
, ohne doch zur Traumhypothese greifen zu müssen.
Denn derartige telepathische Verbindungen treten /war, wie
die Erfahrung zeigt, in jenem U e b er gan g sz u s t and
vom Wachsem zum Einschlafen und umgekehrt ai,f, weil
da, wie es scheint, die Bedingungen zu solcher Einwirkung
von Seele auf Seele besonders günstig sind, und es ist
leicht mögiic h, daß e-» sich auch in unserem Fall um einen
derartigen V ebergangszustand handelte, \on dem der Pfarrer
mit Gewißheit sagen konnte, es war kein gewöhnliches
Traumereignis, es war mehr, es war etwas ihm ganz Reales,
Bewußte*. Daß übrigens dem Sterbenden nochmals in
■-einer Todesnot das heftige Verlangen nach Absolution
und Kommunion kommen konnte, ist sehr begreiflich. Ich
habe solche Fälle nicht in meiner seelsorglichen Praxis
oft erlebt. Entweder fürchtete bzwr. wußte der Kranke,
daß er in seiner ersten Beichte etwas vergessen hatte, und
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