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130 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 3. Heft. (März 1922.)
Die Beobachtung lehrt uns, daß diese Geräusche teils
subjektiv, oder halluzinatorisch sind, teils objektiv oder reell.
Erstere sind indes am häufigsten. Der Beweis ihres halluzinatorischen
Charakters liegt in der Tatsache, daß die
Wirkungen nicht zu bemerken sind: Fenster und Türen,
die man zuwerfen hört, sind oftmals verschlossen, das
klirrende Geschirr ist nicht zerbrochen. In anderen Fällen
aber handelt es sich offenbar um objektive Erscheinungen:
Türen werden geöffnet, Möbel sind von der Stelle gerückt
und das Geschirr zertrümmert. Während subjektive Phänomene
nur von einzelnen der Anwesenden b?merkt werden,
hören in den anderen Fällen alle Anwesende gleichzeitig
die Geräusche. Diese ,,kollektiven" Erscheinungen sind
im allgemeinen reell. Die subjektiven können nur halluzinatorisch
sein, obwohl alles zu beweisen scheint, daß die halluzinatorischen
Töne ihren Ursprung in äußerea Bedingungen
haben.
Spuk phänomene der visuellen Form sind
Leuchterscheinungen und Auftreten von Phantomen. Erstere
sind ziemlich häufig; manchmal von unbestimmter Form
und nach (raschem Lauf verschwindend, mitunter kugelförmig
und längere Zeit sichtbar. Die Phantome et scheinen
in Kleidern ihrer Zeit und meistens so wirklich, daß man
sie für Lebende halten könnte. Manchmal sind sie auch
transparent oder schattenhafte menschliche Gestalten. Sie
kommen und gehen durch Türen oder durch die Wand;
oft erscheinen sie plötzlich und verschwinden ebenso.
Manche Phantome zeigen sich in längeren Zwischenräumen
jahrelang, mitunter an bestimmten Zeiten. Im allgemeinen
dauern die Spukerscheinungen nicht länger als einige Jahre
und oft nur einige Monate und Tage.
Meistens scheinen die Phantome von den Lebenden keine
Notiz zu nehmen und überhaupt im Zustande eines ,,somnambulischen
Automatismus" zu sein. Doch sind auch
Fälle berichtet, in welchen das Phantom die Anwesenden
zu bemerken scheint, und sich sogar mit Worten und
Gesten an dieselben wendet, ein Umstand, der die Lösung
des Problems beträchtlich erschwert.
Spukphänomene in taktiler Form sind selten. Es
handelt sich meistens um Gefühl von Druck oder Gewicht
seitens des Perzipienten oder um Fühlen von eisigen Händen
. Glaubwürdige Berichte erzählen von dem Phänomen
der eingebrannten Hand. Noch seltener sind die Erscheinungen
von Gerüchen, die entweder leichenhaft sind oder
auch als Wohlgerüche wahrgenommen wrerden.
Als charakteristischen Unterschied der halluzinatorischen
und der objektiven physikalischen Erscheinungen bezeich-
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