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144 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 3. Heft. (März 1922.)
Entschluß, zu sterben, denn nach meiner Meinung mußte
ich alles hinwegtun, was den Feind erhält, aber dies war
zugleich auch das, was das Leben erhält. Ich wollte in den
Tod, ohne wahnsinnig zu werden, stand nun sozusagen der
Sphinx gegenüber: Entweder du in den Abgrund oder ich I"
Der normale Mensch hat gewisse Hemmungen durch die
Vorderhirntätigkeit. Fallen H iese H emmungen weg, dann
gerät er in die Unterwelt, dann ist er dem Teufel ausgeliefert
(Psychopathie, Dementia praecox, Psychose).
Durch Schulung wird aber bei dem oRkulten Schüler
eine neue, eine bessere Hemmung ein neues Ich geschaffen,
wobei die erworbenen hellseherischen Fähigkeiten erhalten
bleiben und geordnet werden. Diesen Ausweg hatte schließlich
der Patient, von seinen Leiden belehrt, von selbst gefunden
, indem er am Schlüsse schreibt (S. 16*7):
,,Und indem dann ein größeres umfassenderes Ich auftauchte
, war ich imstande, die bisherige Persönlichkeit mit
ihrem gesamten Anhang aufzugeben. Ich sah, daß nicht
diese bisherige Persönlichkeit die übersinnlichen Reiche betreten
kann. Ein furchtbarer Schmerz, gleich dem eines
Vernichtungsschlages war die Folge, aber ich war gerettet,
die Dämonen schrumpften ein, vergingen, starben. Für
mich begann ein völlig neues Leben, ich fühlte mich von
da an anders als andere Menschen. Ein Ich, wie sie es
haben, bestehend aus konventionellen Lügen, Schein, Selbstbetrug
, Erinnerungsbildern hat sich bei mir auch wieder gebildet
, aber dahinter und darüber stand stets ein größeres,
umfassenderes Ich, »das mir den Eindruck des Ewigen,
U nveränderlichen, Unsterblichen, Unbefleckbaren macht,
das seitdem mein Schutz und stets meine Zuflucht gewesen
ist. Ich glaube, daß es für viele Menschen von Vorteil
wäre, wrenn sie ein solches höheres Ich kennen würden, daß
es Menschen gibt, die auf günstigeren Wegen zu einem
solchen tatsächlich gekommen sind/4
Es kann angenommen werden, daß die Menschheit als
Ganzes einmal durch ein Weltzeitalter der „Hemmungslosigkeit
" hindurchgeht bei der Aufgabe* die Bewußtseinsschwelle
in ein höheres Zentrum zu verlegen. Vielleicht ist
eine solche Zeil prophetisch und mythologisch angedeutet
durch allerlei Ankündigungen eines Zeitalters, wo der Teufel
auf Erden herrscht", dann aber wieder von einem ,,Höhe
ren" abgelöst wird (Edda, Daniel, Apocalypse^.
Es bleibt nun noch zu erwähnen übrig, daß es noch
andere Anschauungen über den Verlauf der hellseherischen
Eindrücke gibt. Vor allem die, daß vom Objekt aus direkt
Eindrücke dem Gehirn übermittelt werden ohne Nervenleitung
. Vor Jahrhunderten glaubte man, die Zirbeldrüse,
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