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Schwab: Halluzination, Pseudohalluzination und Hellsehen. 149
kus wird als Meldesystem einer Innenwelt zur Quelle von
Stimmen (Dämonen) aus der Unterwelt (Halluzinanten). Er
kann aber auch als Antennensystem für Schwingungen einer
Außenwelt zur Uebertragung okkulter Eindrücke dienen
(Sensitive, Hellseher). Der eine Zustand kann in den anderen
übergehen und dies beweist die physiologische Verwandtschaft
beider. Ein vom Verfasser mitgeteilter Fall7) illustriert
das Gesagte. Der Fall zeigt, unterstützt durch zahlreiche
historische Belege, ferner, daß es eine spontane
(Mediumschaft) und eine schulgemäße (Yogasystem) Entwicklung
durch eine „Unterwelt4* zu einer „Ueberwelt" gibt.
Dementsprechend lassen sich auch zweierlei Methoden
des okkulten Wahrnehmens und damit zweierlei Mechanismen
der Gehimfunktion darstellen; ähnlich den zwei
Theorien über die Halluzination schlechtweg gäbe es dann
auch hier eine mehr zentripetale und eine mehr zentrifugale
Auslegung. Schizophrenie kann (wie die Monographie des
Verfassers weiter zeigt) also in Heilung übergehen, indem
sie mit einer inneren Entwicklung abschließt17), wobei
okkulte Fähigkeiten übrig bleiben; sie braucht nicht wie
Marie18) mit vielen anderen meint, zur Verblödung führen,
sondern kann im Gegenteil Erweiterung der Erkenntnis-
grenzen bewirken. Es gibt ferner auch eine Schizophrenie
der Gesunden (Faust, Mysterienprüfungen).
Früher hat nur die Religibnsphilosophie und Mystik diese
Probleme behandelt, heute ist die Psychiatrie und Psychopathologie
Schutzpatron dieses Gebietes, das sie eine lange
Zeit hindurch für sich beanspruchte, geworden. In einer
kommenden okkulten Einstellung werden diese Schutzpatrone
auf ihren Pflegling verzichten müssen. Psychologie
bzw. Parapsychologie wird sich dieser Dinge vollauf annehmen
, um vielleicht in einer noch späteren Zeit bestimmte
Ergebnisse daraus wieder einer kommenden Religion, einer
zukünftigen Mystik einzuverleiben.
Im Grunde genommen ist es dann wieder das Alte auf
neuen Wegen, in neuer Beleuchtung, wieder neu erhärtet und
geprüft.
So teilt eigentlich auch diese Arbeit hier im Grunde genommen
nichts Neues mit, es ist die Tragödie der Menschenseele
, ihres Kampfes mit den finsteren Mächten des
Affektlebens bis zu deren endgültiger Ueberwindung —
die seelische Verfeinerung und okkulte Entwicklung des
Menschen bis zu einer Ueberschreitung der sog. Erkenntnisgrenzen
, teils auf kurzen, teils auf langen oder gar krummen
Wegen, teils mit, teils ohne Gefahren.
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