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Gruber: Denkende Tiere.
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Denkende Tiere.
Zwei Vorträge von Karl Krall (Elberfeld), gehalten in der Psychologischen
Oesellschaft in München am 24. X. und 8. XI. 2t.
Referat von Prof. Dr. K. Grub er, München.
Die beiden Vorträge Kr all s, des einstigen Besitzers
und Erziehers der viel umstrittenen Elberfelder Pferde,
sollen hier kurz referiert werden, um den Freunden psychologischer
Forschung zu zeigen, welch vielseitiges, hochinteressantes
, aber auch schwieriges Problem vorliegt. Wenn sich
Krall dem wissenschaftlichen Forum der Psychologischen
Gesellschaft stellte, um über seine nunmehr 15 jährigen Erfahrungen
im Tierunterricht und über die damit zusammenhängenden
Probleme zu berichten, so leitete ihn dabei vornehmlich
aie Absicht, zu zeigen, daß die „Denkenden liere"
ein bedeutungsvolles, komplexes Phänomen darstellen, das,
obwohl von restloser Erklärung noch weit entfernt, wert ist,
wirklich ernst genommen zu werden. Denn gerade
von wissenschaftlicher Seite lagen in letzter Zeit viele
Stimmen vor, die kein Problem mehr darin sahen, die du*
ganze Frage in das Gebiet der Täuschung, des Selbstbetrugs,
des Humbugs verweisen wollten. Von anderer Seite wieder
wurden die Erscheinungen an den unterrichteten Tieren
ohne weiteres in Parallele mit gewissen Phänomenen des
Mediumismus, vor allem des Tischrückens, gesetzt und
damit scheinbar „einfach" als* zur menschlichen Parapsycho-
logie gehörig erklärt.
Der eiste Vortragsabend war dem Nachweis eines selbständigen
Denkens der Elberfelder Pferde gewidmet. Krall
berichtete zunächst historisch von der Entwicklung des Tierunterrichtes
, dessen Entstehung an den Namen Wilhelm
von Osten und seines „Klugen Hans" geknüpft ist. E*
dürfte allgemein bekannt sein, daß der „Kluge Hans" nach
anfänglichem Ruhm einen tiefen Sturz vom denkenden Pferd
zum gewöhnlichen dressierten Gaul machen mußte. Die Ursache
dieses Sturzes ist in dem Sprache der von Professor
Stumpf und Dr. P f u n g s t geführten wissenschaftlichen
Kommission zu suchen, die des Rätsels Lösung in einer unwillkürlichen
Gewöhnung, in einer Reaktion des Pferdes auf
kleinste optische Zeichen, unbeabsichtigte Bewegungen,
Rucke" des Lehrers und der Prüfenden gefunden zu haben
glaubten. Diese unwillkürlichen Bewegungen sollten bis
unter 1:, mm Ausschlag betragen und vom Pferde noch wahr
genommen werden. Es ist bezeichnend, daß diese
Pfungstsehe Zeichenhypothese trotz ihrer Unwahrschein-
Ii chkeit auch heute noch weitgehend als Lösung der Frage
angesehen wird, ja, obwohl Krall sie längst widerlegt
hatte (s. sein Buchh, indem er durch Verwendung großer
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