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Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 3. Heft. (März 1922.)
Scheuklappen Lehrer, Prüfer und Zuschauer dem Pferde
unsiehtbai gemacht hatte, indem er ein blindes Pferd mit
Ei folg unterrichtete („Berto"), indem er eine ganze R*nhe
unwissentlicher Versuche gelingen lassen konnte.
Sehr eingehend und anschaulich schilderte Krall den
Anfangsunterricht der Pferde. Er suchte darzustellen, wie
die Tiere an den Lehrer gewöhnt werden, wie man ihnen
klar zu machen sucht, was man von ihnen will, wie ihnen]
als Grundlage zunächst ,,rechts*4 und „links* sowie das einfache
Treten mit dem Huf beigebracht wird. So hatte „Mu-
hamed", das spätere „Rechengcnio", das Klopfen der Zahlen
bis \ier gelernt als Krall versuchte, ihm das Wesen der
Addition beizubringen. Und das Pferd tat den Schritt vom
einfachen, fast mechanischen Klopfen zum wirklich überlegten
, rechnerischen Verwenden der erlernten Zahlen 1- 4,
indem e- selbständig kleine, noch nicht eingeübte Additions-
autgaben löste. Das war der größte Moment, den er al:>
Tierpädagoge erlebte, sagt Krall, denn das Pferd zeigte,
daß es begriffen hatte, was eine Zahl bedeutet, wie es sie
verwenden kann. Nun konnte der tierische Schüler wirklich
rechnen lernen, und zwar nach einer von Krall vielseitig
ausgestalteten Methode. Das Verständnis und die Beherrschung
der Zahlen, diese je nach Einer, Zehner, Hunderter,
bald mit dem rechten, bald mit dem linken Huf gegeben,
bildete die Grundlage für das Buchstabieren. Die umständliche
Buchstabiertafel von Ostens wurde verbessert und
den Pferden ein Schema gegeben, bei dem jeder Buchstabe
durch zwei Zahlen ausgedrückt werden mußte, die erste
rechts, die zweite links geklopft. Auf die sehr interessanten
Erfahrungen K r a 11 s beim Buchstabieren und bei den Versuchen
der Satzbildung näher einzugehen, verbietet der
Raum dieser Besprechung. Sehr wesentlich war jedenfalls
das, was Krall als Beweis eines selbständigen Denkens
anführte, Aeußerungen der Pferde, die weder durch die Annahme
einer Gedächtnisleistung, sinnlich wahrnehmbarer Zeichen
, durch Telepathie u. a. m. erklärt werden konnten.
Neben den gelungenen unwissentlichen Versuchen, neben
Antworten, die das ganz allein im Stall stehende, nur durch
Gucklöcher beobachtete Pferd richtig gab, neben völlig
unerwarteten Aeußerungen ist es vor allem die Art des Pretens
, die Art und Weise, wie das Tier seine Antworten
gibt, die nach Krall eindeutig für selbständiges Denken
spricht. So antwortet das Pferd nicht maschinenmäßig, wie
ein Automat, sondern mit lebendigem Ausdruck in seinem
Treten, es verlangsamt, wenn es mit einem Huf große Zahlen
geben eoll, nach anfänglichem raschen Tempo die Schläge
gegtn Ende bis zum markanten, oft donnernden („Berto44,*
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