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Gruben Denkende Tiere,
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stand vom Pferd bei starker Willenskonzentration, lediglich
„dachten". Optische Zeichen kamen nicht in Betracht, denn
die große Scheuklappe machte die Fragenden für das Pferd
unsichtbar. Da ferner Gefühl, Geruch, Geschmack als Reizübermittlungsarten
wegfielen, so konnte eine „sinnliche"
Frage- bzw. Befehlssendung ausgeschlossen werden, es
mußte also eine außersinnliche, eine „Denkübertragung"
stattgefunden haben.
In Verbindung mit diesen Versuchen entstand Krall
eine neue Aufgabe, nämlich die experimentelle Nachprüfung
der bekannten Hansen-Lehmannschen Theorie des
unwillkürlichen Flüsterns, die vielfach zur Erklärung telepathischer
Phänomene herangezogen worden war und —
so erstaunlich es erscheint — noch wird. Der Grundgedanke
ist kurz der, daß bei Versuchen der Denkübertragung die
sendende Person, die konzentriert bestimmte Worte denkt,
diese unwillkürlich bei geschlossenem Mund durch die Nase
„flüstert", während das geschärfte Ohr des Empfängers, des
Telepathen, diese unwillkürlich geflüsterten Worte aufnimmt
. Trotz ihrer UnWahrscheinlichkeit, trotz ihrer leichten
Nachprüfbarkeit war diese Flüstertheorie bis heute bei der
großen Mehrzahl der Wissenschaftler anerkannt, sie blieb
unwidersprochen. Daß die Theorie sich so lange halten
konnte, ist um so erstaunlicher, da jeder an sich selbst nachweisen
kann, daß verständliches Flüstern durch die Nase
unmöglich ist. Bei seiner Nachprüfung verwendete Krall
Lippenspiegel in Verbindung mit Epidiagrammen zum Nachweis
der Lippenbewegungen — Ausschlag durch den Puls
und bei leichtem Flüstern (Kurven) —, er machte Versuche
mit Hohlspiegeln — Flüstern und Hören von Brennpunkt
zu Brennpunkt —, benützte die Kerzenflamme als Reagens,
das Epidiaskop zur Vergrößerung der Lippen. In jedem
Falle konnte Krall nachweisen, daß ein Vernehmen des
bei wirklich geschlossenen Lippen „geflüsterten" Wortes
unmöglich ist. Zum wirklichen Flüstern bedarf es überhaupt
einer Bewegung der Lippen, der Zunge, des Kehlkopfes
. Unterhalb einer gewissen Energieleistung ist eine
lautliche Verständigung unmöglich. So konnte Krall die
Hansen-Lehmannsche Flüstertheorie als falsch ablehnen, um
gleichzeitig den Beweis zu erbringen, daß bei seinen Versuchen
mit dem „Klugen Hans" eine außersinnliche, eine
„Denk"-Uebertragung stattgefunden hat. Er wies dann noch
auf eine Reihe unwissentlicher Versuche hin, die gleichzeitig
den Beweis für selbständiges Denken und für Denkübertragung
bei den Pferden bringen konnten. Dabei muß
immer wieder betont werden, daß der Nachweis selbständiger
Denktätigkeit, wie ihn Krall in seiner langjährigen
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