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Gruber: Denkende Tiere.
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ner K r a 11 s , führte als Hauptdiskussionsredner aus, daß
Kralls Beweise für die Denktätigkeit nicht zwingend seien.
Bis jetzt müsse immer noch Glauben oder Nichtglauben die
Stellungnahme des einzelnen bestimmen, und so glaube er
für seine Person nicht daran, daß die berichteten Leistungen
der Pferde auf selbständiger Denkfähigkeit beruhten. Vielmehr
dürften auch hier von uns für den Fall der Pferde
noch nicht erkannte Assoziationen auf Grund von Erinnerungseindrücken
vorliegen, wie sie von der alten Tierpsychologie
für den Parolonschen und den Lubbockschen Hund
nachgewiesen sind. Dazu kommen noch weitere Gegengründe
. Erstens erscheint es Prof. Kafka sehr unwahrscheinlich
, daß mit der Kralischen Methode des Unterrichtes
, die an das doch selbst für den Menschen schwer zu
erlernende Morsesystem erinnert, so rasch Ergebnisse erzielt
werden können, und ferner liegen im Ergebnis selbst
eine Reihe vor» Unwahrscheinlichkeiten. Die Buchstabierantworten
, die Lösungen großer Rechnungen durch die
Pferde tragen die Unwahrscheinlichkeit in sich, man frägt '
nach dem vitalen Bedürfnis dieses Könnens, man vermißt
die gegenseitige Verständigung von Tier zu Tier mit der
Klopfsprache, das wirklich spontane sich mitteilen vom Tier
zum Mensch, die Ausführung schriftlicher Befehle. Auch
kritisiert Prof. Kafka fehlerhafte Buchstabierantwörten, die
eine dehnbare Deutung zuließen.
Krall antwortete etwa in dem Sinne: Wir wollen unberücksichtigt
lassen, wie weit diese Einwendungen berecn*
tigt sind. Keinesfalls sind sie geeignet, die feststehenden
Tatsachen zu entkräften, zu denen vor allem auch die so
mannigfach variierten unwissentlichen Versuche gehören.
Zur Widerlegung der Ansicht, daß es sich lediglich um
Assoziationen handele, gibt es einige interessante Beispiele,
in der Art wie die Pferde Namen von Besuchern buchstabieren
. Der betteffende Herr wird ihnen gezeigt, sein Name
genannt, dieser von den Pferden buchstabiert. Am folgenden
Tag nun gefragt: „Wie hieß der Herr von gestern?"
tasten sich die Pferde, zunächst dem phonetischen Erinnerungsbild
folgend, zu dem Namen zurück, ebenso wie wir,
wenn wir uns auf einen einmal gehörten Namen besinnen,
uns oit bemühen müssen, aus einer rein klanglichen Erinnerung
die richtige Buchstabenfolge zu rekonstuieren. Dieser
lebendige Einblick in die Geistesarbeit des sich besinnenden
Tieres stellt eine Tatsache dar, die weder durch unwillkürliche
Zeichen, noch durch Abhängigkeit vom Frager (Telepathie
) zu erklären ist. Warum die Tiere keine schriftlichen
Befehle — ausgenommen Kopf wenden, rechten, linken Fuß
heben und ähnliche einfache Handlungen — ausführen, ist
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