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202 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 4. Heft (April 1922.)
daß es auf dieser Straße spuke und Phantome verschiedener
Tiere dort von vielen Einwohnern der Umgebung gesehen
worden sci°n. Die Leute glaubten, daß der Spuk auf einen
Apotheker zurückzuführen sei, der in dieser Gegend gelebt
und sich erhängt hatte. Der Geist des Unglücklichen erscheine
nun in Tiergestalten.
Es ist nicht leicht, diese Volksmeinung durch eine andere
Erklärung zu ersetzen, bemerkt Bozzano, und weist bei
dieser Gelegenheit auf J. Kerners Mitteilungen über die
Seherin von Prevorst hin, die bekanntlich äußerte, daß die
Geister unter der Gestalt jenes Tieres kommen könnten,
dem sie in ihier Lebensweise glichen. Unter den übrigen
neun Fällen Bozzanos finden sich auch zwei Fälle, in welchen
das Tier in dem Raum erschien, in dem es verendet war.
Die Sache wird dunkel bleiben, so lange wir nicht über eine
größere Anzahl gut untersuchter Fälle verfügen.
* *
Bozzano betont mit Recht den Parallelismus zwischen den
Erscheinungen Lebender der Autor nennt sie telepathische
Phänomene und den phantomatischen Phänomenen der
Spukvorgänge Die automatischen Wanderungen der Spukphantome
berechtigen nicht - bemerkt Bozzano - , die
Existenz eines kausalen Verhältnisses zwischen dem Phantom
eines Verstorbenen und dem Geist dieses Verstorbenen
vu leugnen, wie es Podmore tut. im Gegenteil, viele Fälle
der Erscheinungen Lebender zeigen dieselben Automatik-
men. Wir haben Beispiele, daß bei intensivem Denken
an eine Beschäftigung und dergl. eine Person anderen
ihr eigenes Bild übertragen kann, das sie in der Ausübung
dieser Beschäftigung darstellt. Bozzano bringt ein sehr
hübsches Beispiel hierfür, das ich kurz erwähne:
Die Geschichte ist einem Berichte entnommen, den eine
Dame, Miss Clara Griffing, unterm 2. November 1909 an
Professor Hyslop schrieb. Sie konnte in einer stürmischen
Nacht nicht schlafen, erhob sich und trat an das Fenster.
Die Landschaft lag in vollem Mondenschein und man
konnte alles deutlich sehen wie am hellen Tag. Nun be
merkte die Dame, daß das Dienstmädchen Lena das H aus
verließ, und sich anschickte, Wäsche, die aufgehängt war,
abzunehmen. Die Dame sah dies so deutlich, daß sie gar
nicht auf den Gedanken kam, es sei nicht Lena in Wirk
iichkeit Am nächsten Tage stellte es sich heraus, daß
auch Lena infolge des nächtlichen Sturmes nicht schlafen
konnte und von dem Gedanken gepeinigt wurde, sie solle
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