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206 Psychische Studien. XLIX, Jahrg. 4. Heft. (April 1922.)
großer Schmerzen, in welchen Zuständen die vorherrschende
Idee die Neigung gewinnt, fortzudauern und sich zu einer
Besesseuheits-Idee gestaltet.
,AVenn man diese Anschauungen auf die Spukphänomene
anwendet, werden wir bemerken,'4 sagt Bozzano, „daß kein
Grund besteht, nicht anzunehmen, daß ein „desinkarnierter
Geist" nicht denselben psychologischen Gesetzen unterworfen
sei, wie ein „inkarnierter" Geist, und folglich nicht auch anzunehmen
, daß, wenn das Bewußtsein eines in der Agonie
befindlichen Menschen durch Erregungen, Angst und Sorge
gefoltert wird, sich Formen von Monoideismen post
mortem bilden können, analog jenen, welchen die Lebenden
ausgesetzt sind: daher die Spukphänomene.'4
Man müßte daraus folgern, daß nur ein ruhiges und ergebenes
Sterben den Menschen vor den Gefahren des Monoideismus
bewahren kann und daß dagegen eine Agonie,
in der Gefühl von Haß und Rache wüten, die Gefahr nahelegt
, den Sterbenden in einen spukenden Geist zu verwandeln
. Allein es gibt auch Monoideismen, die von Leidenschaften
und Wünschen erzeugt sind, die in die Agonie
hineinspielen; Monoideismen, welche der übertriebene Hang
an irdischen Dingen entstehen ließ, der den Mensch immer
wieder an die Orte bindet, wo er gelebt hat; ferner Monoideismen
, die verursacht sind durch edle Gefühle, wie
die mütterliche Liebe, die Elternliebe und die Gattenliebe.
Es würde sich in diesen Fällen nicht mehr um Spuk handeln
, sondern einzig um Besuche der Abgeschiedenen, und
es würde hierbei, streng genommen, nicht von einem Monoideismus
als abnormem Zustand des Bewußtseins zu sprechen
sein. Nicht als Monoideismus im eigentlichen Sinne
des Wortes würden auch die Phänomene zu betrachten
sein, in welchen eine Erscheinung des Toten infolge eines
im Leben gegebenen Versprechens erfolgt. Fälle dieser
. letzten Art sind nicht sehr selten.
In den von Bozzano gut ausgewählten Beispielen finden
sich noch weitere Tatsachen, welche die spiritistischtelepathische
Hypothese und d£n Monoideismus
post mortem als Ursache zu bekräftigen geeignet sind. So
sieht man wiederholt, daß die Manifestation aufhört, sobald
der Zweck des Manifestanten erreicht ist, mit anderen
Worten, sobald letzterer von dem Monoideismus befreit ist,
der ihn an die Erde gebunden hat. Auch die eventuell
längere Dauer wird begreiflich. Prof. Hyslop findet es
nicht unwahrscheinlich, daß es Fälle gibt, in welchen die
Mentalität des desinkarnierten Geistes eine gewisse Zeit
anormal bleibt. Er hält es sogar für möglich, daß unter gewissen
Umständen der abgeschiedene Geist sich der Aende-
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