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208 Psychische Studien. XL1X. Jahrg. ♦ 4. Heft. (April 192Z)
befreit sind von Monoideismen, welche sie zur Erde gezogen
haben. Wie phantastisch diese Behauptungen der Seherin
auch erscheinen mögen, bemerkt Bozzano, so ist es doch
schwierig, sie zu bestreiten, wenn man sie unter dem Gewichte
so zahlreicher Episoden analysiert, und um so mehr,
als sich Phantome manifestierten, welche weder die Seherin
noch die Anwesenden kannten, die aber Anhaltspunkte gaben
zu ihrer Identifizierung, indem sie Tatsachen mitteilten,
welche keine lebende Person wußte und welche sich als
richtig erwiesen.
Es ist sehr merkwürdig, daß zu einer Zeit, in der sich die
Wissenschaft noch nicht mit psychopathischen Monoideismus
beschäftigte und noch weniger mit „Monoideismus post
mortem*4, die Seherin diese Erscheinungen schon genau
bezeichnet hatte, wie wenn sie aus Erfahrung davon spräche.
So sagte sie z. B. von einem Phantom, das die Existenz eines
für eine Familie -wichtigen Dokumentes angibt: „Er nahm
sich vor, es vor seinem Tode zu sagen, aber er erwartete
nicht; so schnell zu's'teiben. Jetzt, im Tode, haftet dies
an seiner Seele wie ein Teil seines Körpers. Er starb
mit dem Gedanken daran: dies bindet ihn an die
Erde und läßt ihm keinen Frieden/* Unter anderem erwähnt
die Seherin :„Andere Geister kamen noch zu mir, weil
sie sich nicht losmachen können von einer Empfindung
oder einem irdischen Gedanken, die ihnen im Tode gefolgt
bind/* Auch sagt die Seherin: ,.Die Gedanken der Geister
der Finsternis sind stets auf die Häuser gerichtet, in denen
sie gewohnt haben, und die guten Geister entfernen sich davon
." Hier finden wir bereits, bemerkt Bozzano, die telepathische
Spuk-Hypothese, und der Autor empfiehlt Kerners
Werk jedem, der sich tiefer in das Studium des Themas zu
versenken wünscht.
Wie bereits erwähnt, hält Bozzano den ,,Monoideismus post
mortem"' als eine wissenschaftlich zu Recht bestehende
Hypothese, da sie nach dem Beispiel jeder Hypothese auf
Daten der*Analogie gegründet ist. Allein Bozzano warnt vor
einer zu weitgehenden Verallgemeinerung, da tatsächlich
zahlreiche Episoden bekannt sind, welche außerhalb dieser
Hypothese sehr begreiflich erscheinen, d. h. erklärlich erscheinen
, ohne einen anormalen psychischen Zustand
der spukenden Geister annehmen zu müssen. „Es gibt
Fälle, in welchen wahrscheinlich bei den telepathischen
Spuk-Manifestationen dem Verstorbenen ein sehr normales
Denken zugeschrieben werden muß, das mit intensiver
Leidenschaft auf die teuren Wesen gerichtet ist, die er auf
der Erde zurückgelassen hat. Es muß daher die Hypothese
des „Monoideismus post mortem" besonders auf jene Fälle
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