Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
49. Jahrgang.1922
Seite: 226
(PDF, 191 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1922/0232
226 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 4. Heft. (April 1922.)

diesem Augenblick viel mehr „wirkt", als damals der
Lebende,

Man redet bei Geisteskranken oder sonstigen Visionären
von „bloßen" Visionen oder „bloßen" Halluzinationen. Man
will mit diesem Beiwort die Vision als eine Irrealität herabsetzen
und sie der Wirklichkeit gegenüber zum bloßen
Scheine stempeln. Sehr mit Unrecht. Eine Vision ist so
wenig wie eine Idee etwas „Bloßes". Visionen sind geradeso
gut Wirklichkeiten wie sinnliche Erscheinungen, nur daß
eben diese Wirklichkeit nur für den Visionär eine solche
ist. Ein geisteskranker Justizbeamter sah monatelang erst
eine Katze, dann einen Zeremonienmeister und endlich ein
Skelett leibhaftig stets vor sich, wobei er abzehrte und endlich
starb. Sollten Erscheinungen, die einen Menschen ums
Leben bringen, nicht Wirklichkeiten sein? Sie wirken so
prompt und sicher wie Dolch, Gift und Kommabazillen.
Dabei kann es denn ebenfalls ieicht geschehen, daß did
„bloßen Visionen" eine viel größere Wirklichkeit darstellen
als die sinnlichen Realitäten. Ein halluzinierter Polizeiwachtmeister
, vor dem ein Verfolgungswahnsinniger die
Flucht durchs Fenster nimmt, um mit gebrochenem Hals
im Hofe liegen zu bleiben, ist sicherlich, solange er eben
wirkt, viel wirklicher als ein Wachtmeister, der gemütlich
plaudernd neben mir beim Glase Bier sitzt. Eine einzige
Vision der heiligen Maria, wie sie die Jungfrau von Orleans
hatte, hat eine unvergleichlich viel größere Wirkung, also
auch Wirklichkeit gehabt, als zehn „Erscheinungen" meiner
Köchin Marie haben, die mit irgendwelchem bagatellen-
haften Anliegen zu mir ins Zimmer tritt.

Man wird vielleicht die Wirklichkeit einer Vision zugeben,
diese aber zugleich als eine minder- oder unterwertige bezeichnen
, weil sie einen krankhaften Geisteszustand voraussetze
. Ich halte dieses Urteil für anfechtbar. Sicher ist.
daß eine Vision etwas Anormales darstellt. Dies erscheint
aber in der doppelten Form des Unter- und Uebernormalen.
Ich persönlich glaube, daß es sowohl unter- als übernormale
Visionen gibt, die einen bei kranken, die anderen bei bevorzugten
Individuen. Im letzteren Falle wäre die Vision
nicht nur eine Realität überhaupt, sondern sogar eine solche
höherer Art.

Wenden wir nun das Gesagte auf das Traumverhältnis
an, so liegt auf der Hand, daß auch Träume Wirklichkeiten
sind, denn — sie wirken ja! Sie wirken auf Leib und Seele,
Kopf und Magen, auf Vorstellung und Empfindung. Sie
verursachen Herzklopfen und Gliederzittern, sie treiben uns
den Schweiß aus den Poren und jagen uns Angst ein, daß
wir mit Geschrei aus dem Bette fahren. Und sie zaubern


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1922/0232