Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
49. Jahrgang.1922
Seite: 227
(PDF, 191 MB)
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

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Wallis: Der Traum als Wirklichkeit

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uns hinwiederum Walhallen und Paradiesesgärten, Audien-
zen und Ministerposten, Liebesseligkeit und Tischlein deck*
dich vor. so daß wir den Traumgott bitten möchten: „Ver-
weile doch, du bist so schön!"

„Aber," wird man sagen, „das ist ja das Gute oder auch
Schlimme, daß alle diese schönen oder auch schlechten
Dinge nicht real sind. Wenn ich aus einem Angsttraum
schweißbedeckt erwache, so fällt es mir ja doch wie ein
Stein von der Brust, und ich sage: „Gottlob, es ist alles
nicht wahr, es war ja nur ein Traum!" Und wenn ich im
Traum bei einer Gänsekeule sitze, und das Erwachen reißt
mir mit rauher Hand die Keule von dem Munde fort, so
klage ich umgekehrt: „Schade, nur ein Traum!" Dies ist
ganz richtig gesprochen vom Standpunkt des Erwachtseins
aus. Für den Etwachten, der keine Gänsekeule zur Verfügung
hat, ist die geträumte allerdings „nur Traum"; für
den Träumenden dagegen, vor dem sie auf dem Teller liegt,
ist sie völlig wirklich. Es handelt sich eben beim Traumund
Wachzustand um zwei gegeneinander abgesetzte
Wirklichkeiten. Tritt der Wachzustand ein, so wird
damit die Traumwelt zur bloßen „Idee" oder unwirklich;
aber auch umgekehrt wird, wenn der Traumzustand eintritt
, die Wachwelt zur bloßen Idee oder unwirklich. Wenn
der Besitzer eines großen R^nnstalles, dem 100 Pferde zur
Verfügung stehen, im Traum von Feinden verfolgt, fliehen
möchte, so mag er immerhin mit dem Dichter rufen: „Ein
Pferd, ein Pferd, mein Königieich für ein Pferd!" — Keiner
seiner Reitknechte wird dienstbeflissen herbeieilen, denn
sie alle sind nebst dem ganzen Marstall während des Traumes
nur „Idee"; und umgekehrt empfindet ein armer
Hascher, der nie im Leben ein Pferd sein eigen nannte,
sich vielleicht im Traum als Rennstallbesitzer, der sich
nur aufs Roß zu schwingen braucht, um den Verfolgern
zu entgehen. Hic~ ;^t der Pferdemangel des Wachzustandes
„bloße Idee". Wacht der erste auf, so ist er die Angst
um das Pferd los, denn er hat seinen vollen Stall wieder.
Wacht der zweite auf, so ist er die Freude über die vielen
Pferde los, denn er hat seinen leeren Stall wieder.

Ich träume verhältnismäßig häufig, daß mir ein wertvoller
Gegenstand, z. B. mein Pelz gestohlen worden ist,
und mache dabei im Traum natürlich die ganze Skala
der widrigen Empfindungen durch, welche den Verlust eines
solchen Stückes zu begleiten pflegen. Beim Erwachen habe
ich füglich meinen Pelz wieder und freue mich meist außerordentlich
darüber. Ist mir nun der Pelz tatsächlich ge- <
stöhlen oder nicht? Ich kann nur erwidern: In der Traumwelt
ist er mit wirklich gestohlen, in der Wachwelt habe

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