Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
49. Jahrgang.1922
Seite: 231
(PDF, 191 MB)
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Wallis: Der Traum als Wirklichkeit

231

Soldat beim Angriff im Traum denselben Opfermut entfaltet
wie einst bei Sedan oder Mars la Tour. In der
Regel aber fehlen im Traum sachliche, soziale und politische
, überhaupt altruistische Interessen.

Zwei Seelen wohnen in unserer Brust, und in zwei Welten
wandeln unsere Füße. Die eine öffnet in dem Augenblick
uns ihre Pforten, wo das Erwachen uns den Lidvorhang
vom Auge zieht, wo der ausgeruhte Leib seine Muskeln
spannt, wie in alten Tagen der Schütze die Sehne der Arm-
brüst, und wo bald die Tagesarbeit die Weberschifflein herüber
und hinüber spielen läßt. In dieser Welt leben und
streben, schaffen und raffen wir, bis die scheidende Sonne
die Tagesfackel senkt und die Feierabendglocken uns den
Gutenachtgruß bieten. Das ist die Welt des wachen Lebens.

Dann kommt der Augenblick, wo ein geheimnisvoller Gast
an unser Lagei tritt und uns ins Auge haucht, datf wir erblinden
für die Welt, aus der wir kommen. Doch der uns
blendet, macht uns sehend. Er öffnet uns jenes geheimnisvolle
innere Auge, welches die Charit^ meint, welche, im
Begriff, dem schlafenden Thrasyllus die Augen auszustechen,
die Worte spricht: Vivo tibi morientur oculi, nec quidquam
videbis nisi dormiens. Mit diesem Auge sehen wir hinein in
eine andere Welt, die uns erscheint wie eine Kopie der
ersten, nur daß der Künstler, der sie schuf, im Drang der
Eigenart und in abstruser Laune das Urbild verstaltete und
verzeichnete. Wo in diesem eine wohlbehauene Quader lag,
liegt hier ein erratischer Block; wo dort moderne Menschen
wandeln in Frack und selbstbeherrschter Haltung, tummeln
sich hier wilde Naturkinder im Lendenschurz. Wo man dort
den Plan abschreitet in langsamer Wanderung, eilt man
hier auf Flügeln durch die Lüfte; wo man dort den Himmel
durchrudert im neuerfundenen Luftschiff, kriecht man hier
wie ein Säugling auf Hand und Fuß. Das ist die Welt
des Traumes.

Und doch, so verschieden diese Welten sein mögen, eins
haben sie gemeinsam: das Leben. Nicht ist die eine die
Welt wesenhafter Wirklichkeit, die andere nur die Welt
wesenloser Schatten, sondern in beiden ist die Wirklichkeit
die herrschende Macht.

Ich wünsche dir, lieber Leser, in diesen herben Tagen
allezeit recht schöne und freundliche Träume; ich wünsche *
dies um so mehr, als deine Träume keine Schäume sind,
denn auch in deinen Träumen lebst du wirklich!


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