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Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 4. Heft. (April 1922.)
Betrugs angeklagten Hypnotiseur Gebhardt W c h r s t e i n
ans H., die übrigens kostenpflichtig abgewiesen wurde.
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Der Spuk tauchte in der Umgebung einer älteren Frau in dem
Schwarzwaldstädtchen Wildberg auf. Die Frau wendet sich in ihrer
Angst ?n die Polizei. Doch der „böse Geist" läßt sich auch durch
die Gegenwart des Polizei- und Amtsdieners nicht beschwichtigen und
tobt weiter. Die beiden Amtspersonen behaupten, gesehen zu haben,
wie ein Seitengewehr aus einer Kiste herausgeflogen und mitten in
die Stube gefallen sei. Außerdem sei ein mit Wasser gefüllter Topf
aus dem Ofen herausgeflogen u. a m. Da der „Spuk'* nicht aufhörte
, sich unangenehm zu betätigen, brachte die alte Frau alle zerbrechlichen
Gegenstände außerhalb des Hauses unter, zum Teil bei
ihren Verwandten. Dazu schrieb sie ihrem Schwiegersohn in Botnang
bei Stuttgart. Dieser kam nun mit seiner Frau. Auch von ihnen ließ
sich der /ertrümmerungsdurstige böse Geist nicht einschüchtern, sondern
das Tischrücken, Häfenfliegen usw. dauerte fort. Nunmehr erfuhr
man von Wehrstein, der mit seinem „Medium" derlei Geister
beschwören und austreiben könne. Beide mußten nach Wildberg
kommet. Es wurde eine „Sitzung** abgehalten und die Geister zogen
ab. Scheinbar konnten sie sich abe** von der Familie nicht trennen
und so fanden sie sich nunmehr im Hause des Schwiegersohnes in
Botnang ein. Auch dort begannen die Gegenstände zu „fliegen".
Wehrstein beschwor auch hier die Geister. Jedoch ließen diese durch
das hellsehende Medium sagen, daß sie schon in einigen Tagen zum
Schwager des Geisterbeglückten in Feuerbach kommen werden. Dort
werde dann die Sache gefährlicher werden. Sie kündigten an, den
Backofen einzuwerfen (!), und der Mann solle dabei ums Leben
kommen. Der Schwager in Feuerbach jedoch sorgte vor und bestellte
sofort telegraphisch Hypnotiseur und Medium, damit sie das Unglück
abwenden möchten. Für die Bemühungen zur Besänftigung der
renitenten Geister in Wildberg hatte der Angeklagte nichts erhalten,
nur für seine Teufelsbeschwörungen in Botnang und Feuerbach ließ
er sich jedesmal einige hundert Mark geben. Die Sache wäre, wie
so vieles andere in dieser Richtung, gar nicht zur Kenntnis der
OeffentUchkeit gelangt. wrenn nicht bei der Feuerbacher Geistersitzung
ein solcher Teufelsspektakel und Krach gemacht worden
wäre, der bis morgens dauerte und über den sich die Hausbewohner
und die Nachbarn bei der Polizei beschwerten.
Jetzt erhielt auch die Staatsanwaltschaft von der Angelegenheit
Kenntnis und interessierte sich für den „Spuk". Trotzdem beeidigte
Zeugenaussagen über die Vorgänge in Wildberg und Botnang vorlagen
, glaubte das Gericht, den Hypnotiseur wegen Betrugs verurteilen
zu müssen. Wehrstein machte vor dem Gericht geltend,
daß er starke magnetische Kräfte in sich habe und infolge seines
„Astralleibes" mit der Geisterwelt verkehren könne. Er „sei absolut
kein Betrüger und habe bloß der Frau und den anderen Heimgesuchten
helfen wollen. Dagegen gab das Medium an, daß es von
allem gar nichts wisse. Doch das Gericht konnte sich zu der Anschauung
der Angeklagten nicht durchringen und verurteilte beide
wegen Betrugs tzw. Beihilfe dazu. — Zu der Berufungsverhandlung
hatten sich eine große Anzahl Zuhörer eingefunden; auch fünf Zeugen
waren wieder anwesend. Durch kurzerhande Ablehnung der Berufung
durch das Gericht, kam das Publikum um seine „Sensation".
„Der Hohenstaufen" (Nr. 22 vom 27. Jan. 1922), dem wir
diese Mitteilung entnehmen, weist auf die Oberflächlichkeit
und Ursächlichkeit des Urteils hinsichtlich dieser Phäno-
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