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246 Psychische Studien. XUX. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1922.)
scheinungen des Spiritismus, welche Neulinge anlockte, ohne
aber die hochgespannten Erwartungen derselben zu erfüllen.
Denn gerade die Untersuchungen, welche von der Gesellschaft
nach dieser Richtung hin angestellt wurden, sind im
wesentlichen als negativ und höchst unbefriedigend zu bezeichnen
.
Unterdessen erwuchs durch wissenschaftliche Arbeiten
französischer und englischer Forscher eine durchgebildete
Methode, die erheblich von der in der Gesellschaft üblichen
Art der Untersuchung abwich. Sie fand bei demjenigen
Teile der Mitglieder, der, wie Dr. von Schrenck, mehr auf
dem Boden naturwissenschaftlicher Beobachtung stand und
sich gegen die zu rasche spekulative Verwertung ungenügend
durchgeprüfter Erscheinungen in metaphysischem
Sinne wandte, entschiedene Beistimmung. Die in dieser
Weise entstandenen und in der Folge immer mehr erstarkenden
Reformbestrebungen im Schöße des Vereins hatten
schließlich zur Folge, daß sich eine Sezession bildete, indem
jene Gruppe von Männern ausschied und einen eigenen
neuen Verein unter du Preis Aegide gründete, welcher
an ein magnetisches Agens neben der Suggestion, an die
von der Medizin geleugneten somnambulen Fähigkeiten und
an den Spiritismus im eigentlichen Sinne des Wortes glaubt.
Mit dieser Wendung hatte sich eine Trennung des Dr.
von Schrenck, der die rein naturwissenschaftliche Richtung
vertrat, von seinem früheren Lehrer du Prel vollzogen.
Unser junger Arzt und Forscher entfaltete nun in den
folgenden Jahren eine rege praktische und wissenschaftliche
Tätigkeit. Ein von den Intellektuellen Münchens
stark besuchter Vortrag über „Hypnotismus und Suggestion44,
den er 1889 im Münchener Kunstgewerbehaus hielt und
durch Experimente erläuterte, fand in der Tagespresse lebhaften
Widerhall und machte den Namen Schrencks in
weiteren Kreisen bekannt. Die von ihm in dieser Lebensperiode
publizierten zahlreichen Arbeiten stehen ausnahmslos
auf einem naturwissenschaftlichen* Boden und sind
großenteils der Suggestionslehre und der Kriminalpsychologie
gewidmet. Er wurde Mitarbeiter der Realencyclo-
pädie der medizinischen Wissenschaften und stark gefördert
durch Männer wie Professor August Forel, damals Direktor
der Irrenanstalt Burghölzli-Zürich, und durch den Wiener
Psychiater Professor von Krafft-Ebing u. a. Es gelang ihm,
krankhafte Störungen des Geschlechtssinnes (besonders die
konträre Sexualempfindung) erfolgreich durch hypnotische
Suggestiytherapie zu bekämpfen und damit ein neues Verfahren
einzuführen, das zahlreiche Patienten anzog.
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