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248 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1922.)
lehrten zur Durchführung gebracht hatte. In den vier Kongreßtagen
wurden nicht weniger als 105 Vorträge in deutscher
, französischer, englischer und italienischer Sprache
gehalten. Die Gesamtsumme der Kongreßteilnehmer belief
sich auf 600. Ein Kongreßtageblatt übermittelte in verschiedenen
Sprachen die nötigen Nachrichten.
Nachhaltige und bleibende Anregungen für das dramatische
und bildnerische Kunstschaffen Münchens gingen
aus dem Gastspiel hervor, welches Dr. von Schrenck von
Mitte Februar bis Mitte April 1904 mit de»* Traumtänzerin
Magdeleine G. (Paris) veranstaltete. Ihr erstaunlicher Reichtum
an herrlichsten Ausdrucksbildern rief schon nach dem
ersten Auftreten einen Sturm von Sensation und Aufregung
in München hervor, so daß die Psychologische Gesellschaft,
welche auf seine Veranlassung die Leitung der Vorführungen
übernoirmen hatte, gegenüber dem leidenschaftlichen Ansturm
aller möglichen Vereine und dem Verlangen der
Presse, diese Kunstleistungen weiteren Kreisen zugänglich
zu machen, die Demonstationen in das Münchener Schauspielhaus
zu verlegen, sich veranlaßt sah. Die Darbietungen
Magdeleines bedeuten nichts anderes als die Fortsetzung
der 1886 zuerst von Dr. von Schrenck und A. von Keller
mit der Somnambule ,,Lina" unternommenen Affektstudien
im Zustande der Hypnose, nur mit dem Unterschied, daß
die somnambule choreographische und mimische Ausdrucksfähigkeit
der Französin wohl als die höchste Leistung dieser
Art anzusehen ist, die in den letzten Jahrzehnten der Gegenwart
bekannt wurde. Zum ersten Male betrat eine hypnotisierte
Künstlerin die öffentliche Schaubühne und faszinierte
das Publikum durch ihre pantomimische Interpretation der
deklamatorischen und musikalischen Vorträge, an denen
die besten Künstler Münchens beteiligt waren. Der verstorbene
Otto Julius Bierbaum sah in diesen außerordentlichen
Leistungen, in diesen Gestaltungen des Unbewußten
eine Offenbarung von rätselhaften Kräften, die aus den
Tiefen der Inspiration stammt.
Eine Studie Schrencks, ,,Die Traumtänzerin Magdeleine
G" (Stuttgart, Enke 1909, 176 S.) erörtert die künstlerische
und wissenschaftliche Bedeutung der somnambulen Darbietungen
auf dramatisch-choreographischem Gebiet durch
Besprechung der in Betracht kommenden Fragen des Hyp-
notismus, der Hysterie, der Tonpsychologie und Aesthetik.
Eine Reihe angesehener Psychologen und Nervenärzte förderte
durch ihre erfolgreiche Mitarbeit dieses großzügige
Unternehmen, das der Traumtänzerin einen sehr erheblichen
Gewinn, der Psychologischen Gesellschaft einen Re-
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