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250 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1922.)
steigerte Mißtrauen war der Grund, daß über die Ergebnisse
dieser Sitzungen erst 1920 die ersten Mitteilungen
veröffentlicht wurden, und zwar nicht aus eigener Initiative
Schrencks, sondern erst auf die von Professor Oesterreich
(Tübingen) gegebene Anregung hin. Mit dem im Frühjahr
1909 durch Herrn Delanne vermittelten Eintritt des Dr.
von Schrenck in den Kreis des französischen Schriftstellers
Alexander Bisson in Paris zwecks Beobachtimg des Mediums
Eva C. (=Marthe Beraudj beginn, die dritte Phase
in dem bisherigen Lebenslauf unseres Forschers.
Die mit dieser Versuchsperson unternommenen Sitzungen
fanden zuerst in äußerst primitiven Verhältnissen in einer
Dachkammer der Bissonschen Wohnung statt. Schrenck
hatte aber schon in den ersten Sitzungen erkannt, daß es
sich hier um echte Leistungen eines äußerst starken Materialisationsmediums
handelte, und trat an die für diese
Fragen lebhaft interessierte Frau Bisson mit dem Vorschlag
heran, in Verbindung mit ihr eine längere experimentelle
Untersuchung an Eva C. vornehmen zu dürfen, wobei er
für die Anwendung wissenschaftlicher Hilfsmittel und für
eine methodische Feststellung Sorge tragen wolle. Frau
Bisson ging auf diesen Vorschlag ein, nahm das Medium
ganz wie ein Mitglied der eigenen Familie in ihr Haus
auf und es wurde vereinbart, daß Frau Bisson das Resultat
der gemeinschaftlichen Studien in fr_ nzösischer. Dr. Schrenck
in deutscher Sprache herausgeben solle.
Wei aus eigener Erfahrung die Arbeit und das Zusammenleben
mit solchen Sensitiven, deren labiles psychisches
Gleichgewicht die enormen Widerstände und Hemmungen
gegen jedes exakte Vorgehen kennt, wird die außerordentlichen
Schwierigkeiten des Forscherpaares zu würdigen
wissen, die sie in ihrer vierjährigen Zusammenarbeit zu
überwinden hatten. Dazu trat das Verantwortungsgefühl
der mütterlichen Beschützerin des jungen Mädchens für
deren Gesundheit, die ja möglicherweise durch die vorgeschlagenen
, Eva's Bewegungsfreiheit in den Sitzungen einschränkenden
Kontrollmaßregeln, ferner durch die für die
Photographie nötige Beleuchtung geschädigt werden könnte.
Denn man stand einem unbekannten biologischen Gebiet
gegenüber und mußte von Erfahrung zu Erfahrung vorwärts
arbeiten. Aber Dr. Schrenck wußte Schritt für
Schritt mit zäher Geduld die Bedenken der Frau Bisson zu
überwinden und sie an der Hand der Tatsachen immer
wieder von neuem von der Notwendigkeit immer strenger
werdenden Kon trollmaßregeln zu überzeugen. Durch dieses
methodische Vorgehen wurde schließlich erreicht, daß die
Phänomene mit 9 gleichzeitig funktionierenden photographi-
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