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v. Klinckowstroem: Indische Gauklerkünste. 255
skeptischen Kommentaren, je nach der Einstellung des Berichterstatters
. Insbesondere sind es drei Kunststücke, die
den Europäer im fernen Osten in Erstaunen setzten: der
Mangobaumtrick, das Korbstechen und das berühmte
Seilexperiment. Von diesen dreien ist meines
Wissens nur das Korbexperiment auf europäischem Boden
gezeigt worden. Für die beiden anderen Kunststücke scheinen
die Vorbedingungen nur im Orient gegeben zu sein.
Es bandelt sich hierbei, das sei zuvor bemerkt, nicht um
Kunststücke von „Fakiren", wie im Sprachgebrauch allgemein
üblich geworden zu sein scheint, sondern von Yogin.
Die Fakire sind mohammedanische Derwische, während die
Yogin Büßer und Asketen brahmanischen Glaubens sind.
Die Zauberkünste, die von dieser ein zigeunerhaftes Wanderleben
führenden Sekte berichtet werden, liegen auch ganz
in der Linie ihrer Lehre. Unter der Yogalehre versteht man
nach Stolle „das Bestreben, durch Unterdrückung aller
sinnlichen Regungen und Versenkung des Geistes in die
Selbstbeschauung die Vereinigung mit Gott und dadurch
die Herrschaft über die Naturgesetze zu erringen". Durch
allerhand Mittel sollte der Yogin übernatürliche Fähigkeiten
erlangen. Stoll nennt die folgenden als die Hauptkünste:
1. sich unendlich klein oder unsichtbar zu machen
(animan);
2 äußerste Leichtigkeit anzunehmen (laghiman);
3. sich schwerer zu machen (gariman);
4. sich ins Ungeheuere zu vergrößern (mahiman oder
prapti);
5. widerstandlose Erfüllung aller Wünsche (prakamya);
6. vollkommene Herrschaft über den Körper und seine
inneren Organe (isitva);
7. Fähigkeit, den Lauf der Natur zu ändern (vasnva);
8. sich durch den bloßen Willen überallhin zu versetzen
(kamavasayitva).
Stoll hält nicht alles für Unsinn, sondern meint, der
Kenner der Suggestionserscheinungen werde in einem Teile
dieser Kunststücke den infolge falscher Deutung der Beobachtungen
unrichtig formulierten Ausdruck einer uralten
und methodisch ausgebildeten Kenntnis der suggestiven Erscheinungen
erblicken können, die sich sowohl auf den
Zauberer selbst wie auf die Zuschauer erstrecken und sich
bis zur Hypnose und zur Erweckung von Sinnestäuschungen
steigern können. Dahin gehöre z. B. ein Bericht von
*) Otto Stoll, Suggestion und Hypnotismus in der Völkerpsychologie
. 2. Aufl. Leipzig 1904, S.60ff. Vgl. auch Richard Schmidt,
Fakire und hakirtum im alten und modernen Indien. Berlin 1908.
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