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282 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. S.Heft. (Mai 1922.)
In vornehm zurückhaltender Weise meint Becher am
Schlüsse seines Werkes*), der vorgeschlagene Erklärungsversuch
bleibe doch ein gewagter. Dies schließe aber weitere
Erwägung, Erprobung und Ausgestaltung der Hypothese
nicht aus — da es um andere Wege zur Erklärung der
Gallenzweckmäßigkeit so schlecht bestellt sei.
Als ein Schüler von Herrn Prof. Becher freue ich mich,
daß ich, durch eine Autforderung der Schriftleitung veranlaßt
, den Lesern dieser Zeitschrift die Gedankengänge
meines verehrten Lehrers näherbringen konnte. Vielleicht
gibt mir eine spätere Abhandlung Gelegenl eit, die wissenschaftliche
Berechtigung der Becherschen Hypothese in
einem Rahmen nachzuweisen, in dem auch der Okkultismus
und Spiritismus, soweit es sich hierbei um Hypothesen handelt
, auf ihre wissenschaftliche Berechtigung nachgeprüft
werden sollen; denn über aller Wissenschaft muß das Streben
nach Wahrheit stehen, die vor keinem Vorurteile zurückschreckt
. Und in diesem Sinne ist auch das Bechersche
Buch dem Streben nach Wahrheit entsprungen.
Meinungsaustausch.
Der Spuk eine Halluzination?
Von Redakteur B. Grabinski, Iserlohn.
In Nr. 594 der Köin.Volksztg. vom 24. Aug. v.J. veröffentlicht
Prof. Dr. Engert in Dillingen eine längere Abhandlung
untsr dem Titel ,,Ueber Okkultismus und Spiritismus4*,
in der er u. a. auch auf mein Buch „Spuk- und Geistererscheinungen
oder was sonst? Eine kritische Untersuchung
(Hildesheim, Borgmeyer/4 Bezug nimmt. Eingangs
seiner Darlegungen betont er, daß es an der Zeit sei, daß
der geschulte Psychologe zu dem Neuaufleben der Woge
spiritistischer und okkultistischer Bestrebungen Stellung
nehme. Er tut dies zunächst an Hand des von Prof. Ludwig
erschienenen Schriftchens „Okkulti smus und Spiritismus*4
(München, Verlag Natur und Kultur). Obwohl Prof. E.
selbst bemerkt, daß L. sich seit über 30 fahren mit diesen
Fragen beschäftigt, hält E. im Gegensatz zu L. bei Spuken
die ,,Wirkung organlosen Denkens" für ausgeschlossen, ,,da
sie sich wissenschaftlicher Erfassung entzieht4'. Ich bin
der Ansicht, daß es recht gewagt ist, etwas nur deshalb
für ausgeschlossen zu halten, wreil es sich wissenschaftlicher
Erfassung entzieht. Danach müßte z. B. auch die Existenz
der Seele als ausgeschlossen gelten, weil auch diese sich der
wissenschaftlichen Erfassung entzieht. Mit der Unsterblich-
*) Becher a. a. O. S. 147 ff.
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