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v. Klinckowstroem: Indische Gauklerkünste. 31&
• habe so etwas (wie das Seilexperiment nämlich) nie gesehen
und kenne auch niemand, der es gesehen hat. Da aber
ehrenwerte Leute beschwören, bei derartigen Sensationen
dabei gewesen zu sein, und mir ein glaubwürdiger Herr in
Kalkutta erzählte, daß in Delhi ein Gaukler eine Schlange
vor seinen Augen in eine Tänzerin und diese dann wieder
in eine Schlange verwandelt habe, muß man bei den
indischen Gauklern starke hypnotische Kräfte annehmen,
mit deren Hilfe sie sogar eine Anzahl von Zuschauern gleichzeitig
derartige Geschichten zu suggerieren wissen. Dies ist
um so wahrscheinlicher, als ein Skeptiker in diesem Falle
die Probe machen ließ. Auf der ganzen Serie von1 Platten
konnte damals nichts weiter als eine aufgerichtete Schlange
festgestellt werden. Und doch wollten alle anwesenden
Herren das Tanzmädchen deutlich gesehen haben. Aller-
* dings jeder das seine, also ein anderes: gleichsam den aus
der Summe eigener Erlebnisse gewonnenen Typ. Eine Tatsache
, die über den hypnotischen Ursprung des Experiments
wohJ keinen Zweifel läßt." Auf einige andere Vorführungen,
die nach den Berichten ebenfalls kaum eine andere Deutung
zulassen, kommen wü noch zurück.
Die Berichte über die Tricknachahmungdes Seilexperiments
beginnen wir mit einem solchen, der zum
Teil als echt, zum Teil möglicherweise als Trick Vorführung
anzusprechen ist. Auf einen Triek scheint schon hinzudeuten,
was der bereits genannte Ethnograph Ernst v. Hesse-
Wart egg (a. a. O.) unter anderen Vorführungen am Hofe
des Maharadschas zu Benares gesehen hat. Einer der Yogin
machte mit einem Hanfseil Kunststücke, als sei es eine
Bambusstange: er hielt das Seil vertikal balanzierend auf
der Hand. Bei der Untersuchung fand H e s s e - Wartegg
das Seil biegsam wie jedes andere. Nach einem eingehend
kommentierten Bericht im „Journal of the Society for Psychi-
cal Research" XI, 1904, S. 299 ff., sah Sebastian Thomas
Burchett im November 1901 in UmbaJla das Seilexperiment
zusammen mit etwa 30 anderen Europäern. Der Gaukler
hantelte gewissermaßen einen Teil des zirka 1 Zoll starken
Seiles in die Höhe, während eine Windung am Boden liegen
blieb, bis das Seil zirka 15 bis 20 Fuß hoch in die Luft
ragte. So blieb das Seil, auf der Windung ruhend, aufrecht
stehen. Ein Knabe kletterte sodann an dem Seil in die Höhe,
ob mit Benutzung der Beine und Füße, weiß der Augenzeuge
nicht mehr, und verschwand oben angelangt. Der
Gaukler rief ihm etwas zu, er antwortete aus der Höhe, ohne
daß man ihn sah. Ebenso plötzlich, wie er verschwunden
war, tauchte der Knabe wieder auf und kletterte am Seil
herab. Das Seil sank hinter ihm herab, und die anwesenden
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