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334 Psychische Studien. XLiX. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1922.)
psychologische Erfahrungen gewonnen. Die Hysterie ist
eine Abart des Schwachsinns. Das Kernsymptom ist im
engeren Sinne eine abnorm starke psychische Beeinflußbarkeit
, aus welcher verstärkte reaktive Bewegungen im Nerven
System entspringen. Halbbewußte oder unbewußte Vorstellungskomplexe
spielen mit. Bei den sexualen Formen
der Hysterie waren die Vorstellungskomplexe schon von
großei Bedeutung, und die Psychoanalyse ist eine Komplexforschung
. Liegt es doch im Wesen aller psychogenen Störungen
, die deshalb noch keine Psychose sind, aber in eine
solche übergehen können, daß alle Arten von Affekten
und Gefühlszuständen auf die Funktion des Nervensystems
wirken. Um den psychischen Symptomenkomplex gruppieit
sich dann alles das, was Affekt oder als Depression zutage
tritt. Hier sprechen wir von labilen psychischen Gleicb-
gewichtsst ör ungern
Was von der Hysterie gilt, gilt auch zum Teil von der
Neurasthenie. Ihr Kennzeichen ist die rasche Ermüdung.
Die nervöse und psychische Ermüdbarkeit läßt sich messen
und registrieren, wie wir die Körperkraft am Dynamometei
messen. Auf die Methoden, die Professor Sommer zusammengestellt
hat, kann ich hier nicht eingehen.
Fundamental wichtig ist das Angstsymptom. Wir sprechen
von Angstneurosen, die auf Zwangsvorstellungen beruhen.
Bekannt sind die Platzangst, die Angst, über einen freien
Platz zu gehen, die Brückenangst, die Kanzelangst, die
Rednerangst, die Eisenbahnangst, die Situationsangst des
Barbiers, der rasieren soll, die Zweifelangst, die Zählangst
u. a. m. Diese Zustände führen auch auf dem Wege der
psychischen Infektion zu Massensuggestionen. Hierzu
rechnet die Revolutionsangst, die Angst vor den Spartakisten
usw. Man darf die Bedeutung der Massensuggestion
nicht unterschätzen. Bechterew hat darüber sehr interessante
Studien psychischer Art gemacht. Was heißt denn in Wahrheit
suggerieren? Der deutsche Ausdruck einreden, eingeben
sagt zu wenig. Denn es gibt auch eine Suggestion
gegen den Willen. Hier liegt eigentlich erst Suggestibilität
vor. Suggerieren heißt, das Bewußtsem einengen and dieses
eingeengte Bewußtsein durch eine Zielvorstellung beeinflussen
. Das Bewußtsein ist eingeengt, nicht aufgehoben.
Deshalb kann logische Ueberlegung, .große Erfahrung und
scharfer Verstand eine Hemmung gegenüber der Suggestion
bilden. Immer handelt es sich um einen psychischen Kampf.
Auch bei der Autosuggestion handelt es sich um Seelenkämpfe
. Zwei Seelen wohnen ach in unserer Brust! Auch
der Willensstärke Mensch kann suggestibel sein. Was von
der Suggestion haftet, bleibt in jedem Falle zu erwägen,
schwarze Vorhänge, Servanten usw.), wie sie dem europäischen
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