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336 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1922.)
und hier kann man dem Verfasser noch folgen. Aber eine
„außerkörperliche Gedankenschichtein „psychisches Ekto-
dermu, das geht doch in das Phantastische. Wir sollen
Wert darauf legen, uns von dem Phantastischen zu befreien.
Nicht daß die Wissenschaft alles restlos erklärt hätte.
R. Oesterreich nennt die okkulte Psychologie treffend Para-
psychologie. Die parapsychischen Phänomene sind abnormer
Natur. Wo ist die Grenze zum Pathologischen? Das sind
schwere Rätselfragen, die noch kein Hellseher löste. Erst
mit der Erkenntnis der Vorgänge werden wir fähig sein,
den Ablauf zu beherrschen. Die Verdrängung verpönter
Wünsche und Vorstellungen in das Unbewußte, wie es die
Freudsche Schule will, ist nicht so leicht. Der psychische
Zwang läßt sich nicht so leicht beseitigen. Das Problem der
Willensfreiheit ist noch nicht gelöst, und die Motive werden
oft von Imponderabilien beherrscht, die wir nicht analysieren
können. Die Hemmungen spielen eine Rolle. Ganz gewiß.
Wenn es nach den Worten von Dr. Marcinowski in seiner
ärztlichen Erziehungskunst gelingt, aus dem vermindert verantwortlichen
Zwangskranken einen Menschen von verantwortungsfähiger
Selbstbestimmbarkeit zu machen, dann
könnte man ihn auch gegen seinen Willen psychotherapeutisch
behandeln. Die ganze psychische Erziehung besteht
doch schließlich darin, daß man sich nicht hemmungslos
seinen kulturwidrigen Neigungen und Trieben überläßt.
Das braucht nicht zur Askese und Lebensverneinung zu
führen. Der sittliche Gesichtspunkt ist die Trieb Veredelung
und das sittliche Wachstum. Schließlich kommt es doch
auf eine soziale Sittlichkeit heraus, einen ethischen Idealismus
, dei Sozialismus ist. Die Psychologie spielt hier mit.
Sie lehrt die Affekte beherrschen. Wir befinden uns fast
stets in Konfliktlagen, und es ist schwer, die Harmonie zu
finden, die Einheit in der Mannigfaltigkeit. Urteile folgen
den Affekten. Ich darf hier auf Schopenhauer zurückgreifen,
der in seinen Aphorismen zur Lebensweisheit sagt, der voll-
kommene Weltmann wäre der, der nie in Unschlüssigkeil
stockte und nie in Uebereilung geriete. Wo ist er zu finden ?
Wir kennen die Kräfte in den höheren* Hirninstanzen 'licht.
Die unkontrollierbare Einfühlungsfähigkeit spottet aller psychischen
Gesetze, die wir aufstellen. Die vernünftige Logik
prallt an ihr ab. Damit müssen wir rechnen. Sehr vieles
ist noch schleierhaft.
Man soll deshalb auch die noch okkulten Probleine nicht
mit einer abwehrenden Geste abtun, als wäre das alles
Unsinn; das wäre falsch und unwissenschaftlich. Die Aeuße-
mngen des Gehirns sind uns vorläufig nur Symbole für die
Vorgänge. Mit Veraguth trennen wir die symbolische Intelli-
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