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3l>6 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1922.)
tiges Urteil zu gewinnen. Es kann sich nur um Hypothesen
hantitln, *olangc wir nicht über eine größere Menge wissenschaftlicher
Beobachtungen verfügen.
in dem Doris-Fischer-Fall finden wir vor allem einer
seits Aehnhchkeit und Analogien mit Phänomenen der
flvstcrie und Ihpnose und andererseits Gründe, die zu
einem Ungleich der Doris-Personalität mit der sogenannten
Konliolle des mediumistischen Trance anregen. Interessant
ist die Heilmethode Dr. W. Princes, welche vor allem darauf
umarbeitete, die primäre Personalität in Herrschaft zu setzen
und die sekundären Persönlichkeiten so wenig als möglich
zu Worte kommen zu lassen. Dr. Prinee wandte nicht
HypnotL>mus an, sondern hielt persönlichen Einfluß und
Ueberordnung für wirkungsvoller, da er bald erkannt harte,
daß alle Personalitäten suggestibel »waren, besonders im
Schlafe (mit Ausnahme der „schlafenden Margarets. Selbstredend
erforderte diese therapeutische Methode großen Takt
und viel Geduld, denn die zweiten Personalitäten mußten
bei gutem Humor erhalten werden und verlangten toleranrc
Behandlung, sollte nicht ihre Opposition den Erfolg auf
das Spiel setzen. Besonders galt dies für „Margaret", die
so viel Unheil anstellen konnte, als „Sally" in dem l alle
„Beauchamp".
Die erste, die man auszuschalten versuchte, war die
„kranke Doris**, wobei Margaret gern mithalf. Sie verlor
sehr rasreh an Boden. Innerhalb einer Woche begann ihre
Erinnerung zu schwinden, aber die meisten derselben tauchten
im Geiste der wirklichen Doris wieder auf. Merkwürdig
v.ar bei dem allmählichen Verschwinden dieser kranken
Doris, daß sie dabei immer jünger wrurde. Sie, die erwachsen
geboren ward, erlebte jetzt ihre erste Kindheit. In zwei
Monaten war sie zum hilflosen Kinfle reduziert, und am
28. Juni 1911 war ihr letztes kurzes Erscheinen.
Aehnlich diesem Vorgang" wurden auch die Rezitationen
der „schlafenden wirklichen Doris" seltener und kürzer, bis
su* im April 1912 ausblieb.
Das Verschwinden „Margarets" war ein längerer Prozeß.
Wie die schlafende Doris wurde auch sie immer jünger,
wenn auch nur von der Mentalität eines 10jährigen Mädchens
zu jener eines fünfjährigen Kindes zurückgehend.
Sie \*urde auch mehr und mehr anästhetisch und ihre Sehkraft
schlechter, bis sie total blind wurde. Bis zum Ende
aber behielt sie ihre wunderbare Gehörs-Hyperästhesie. Ihr
letztes Erscheinen war im April 1914.
So wai also nur die wirkliche Doris und die
„schlafende Margaret" geblieben, und da letztere
sich nur während eles Srhlafes der ersteren manifestierte.
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