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Tartaruga: Die Telepathie im Dienste der Kriminalistik. 377
einbarungcn zwischen den Partnern vorlägen, die wir unter
dem Fachausdruck „Tricktelepathie** näher besprechen
wollen Auf naive Gemüter macht dieses Kunststück noch
heute einen tiefen Eindruck.
Ganz anders geartet waren indessen die Darbietungen
des Amerikaners Brown, der im Jahre 1876 als wirklicher
„Gedankenleser" auftrat. Er ließ in seiner Abwesenheit einen
Gegenstand verstecken, wählte sich dann aus dem Publikum
irgendein „Medium", das er aufforderte, seine Gedanken
nur auf den zu suchenden Gegenstand zu konzentrieren, und
„führte" es dann so lange umher, bis er die Aufgabe gelöst
hatte. Brown behauptete, in „magnetischem Rapport" mit
dem „Medium" zu stehen, was um so glaubhafter klang,
als er mit verbundenen Augen arbeitete und sich vor dem
Anstoßen an Hindernisse nur dadurch „schützte", daß er
das „Medium" wiederholt anfaßte, sei es an der Hand, dem
Handgelenk oder der Stirn. Gelang ihm eine Aufgabe einmal
nicht, so nahm er ein anderes „Medium", das „seine Gedanken
besser konzentrieren konnte".
Die Sache machte Aufsehen, obwohl Brown noch im
selben Jahre eine später zu erörternde, ganz natürliche Erklärung
für seine Vorführungen gab. Das „Gedankenlesen"
wurde nämlich durch Nachfolger, von denen wir Irving
B i s h o p und hauptsächlich den Engländer Stuart Cum-
berland hervorheben wollen, ungemein vervollkommnet.
Der „Telepath" behauptete zwar nicht mehr, das „Medium
* zu führen, sondern im Gegenteil von diesem geführt
zu werden, was ja auch dem "Worte „Telepathie" (griechisch:
Fernfühlen, genauer: Fernleiden) viel besser entspricht, verzichtete
aber auf das verdächtig gewordene Stirn- und Pulsfühlen
, sondern berührte das „Medium" nur ab und zu,
wie ungefähr, und blieb mit ihm ständig bloß durch einen
gemeinsam gehaltenen Stab verbunden. Später wurde sogar
„ganz kontaktlos" gearbeitet. Auch die Aufträge konnten
vjel kompliziertere sein. Der „Gedankenleser" suchte nicht
bloß verborgene Gegenstände, sondern auch gedachte Ziffern
und Zahlen, wobei allerdings das Anfassen des „Mediums",
mit dessen Hand der Experimentator wiederholt über die
die Ziffern und Zahlen enthaltende Tafel glitt, wieder stark
m Anwend un g kam.
Von da ab wurde diese Art „Telepathie" nicht nur Artistenkunststück
, sondern auch ein beliebtes Ga-t IKchafts-
spiel. Aber gerade deshalb, d. h. weil es zahlreiche Menschen
gab, die trotz dieser Herabwürdigung und trotz der verschiedenen
Aufklärungen daran festhielten, daß eine wirkliche
Gedankenübertragung, em wirkliches Gedankenlesen,
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