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Oesterreicher: Ueber den Dogmatismus in der Psychologie. 391
Lencigs, Josef Fischer, welcher jedesmal behauptete, ein
Stadtträger habe ihm das Schreiben eingehändigt . . .
Die Folge davon war die Verhaftung des Burschen, den
man aber nach 24 Stunden freiließ, da die Verdachtsmomente
doch zu vage waren. Das ereignete sich Ende Jänner.
Aber schon am 16. März erstattete der Lehrjunge, dessen
Vater ein angesehener Bürger in Mariahilf (VI. Wiener Gemeindebezirk
) war, am dortigen Polizeikommissariat wieder
die Anzeige, daß ihn ein Dienstmann, welcher einen Brief
des „Mörders" überbrachte, auf der Stiege mit einem Stock
auf den Kopf geschlagen habe, weil er (Fischer) den Namen
des Auftraggebers wissen wollte. Auch habe der Bote versucht
, ihm Säure ins Gesicht zu schütten. Die polizeilichen
Erhebungen ergaben, daß die Anzeige erdichtet war. Um so
schärfer beobachtete man den Lehrjungen, von welchem
man annahm, daß er sich demnächst durch irgend etwas
verraten werde. Sein Verhalten war allerdings so auffallend,
daß er ein zweites Mal verhaftet und dem Landesgericht
eingeliefert wurde, wo er dem Untersuchungsrichter, Landesgerichtsrat
Posch, gestand, die Briefe alle selbst geschrieben
zu haben, um von sich leden zu machen. Und so wurde er
abermals, und zwar endgültig, entlassen . . . Die Aufregung
in Wien über den „Mord im Hirschenhause** legte sich erst,
als die Bevölkerung durch neue Bluttaten aufgeschreckt
wurde, und allmählich schlief die Sache ein: Eine Niete der
Wiener Kriminalpolizei . . .
Meinungsaustausch.
Ueber den Dogmatismus in der Psychologie.
Bemerkung über die ünwahrhaftigkeit der Polemik des s Z. Privat-
dozenten Dr. Hans Henning, Professor an der Techn. Hochschule Dan zig.
Von Professor Dr. T. K. Oesterreich, Universität Tübingen.
Vorbemerkung.
Die nachfolgenden Zeilen sind die Erwiderung gegen
einen im Journal für Psychologie und Neurologie Bd.
erschienenen Artikel des Herrn Hennings gegen meine 1916
in Bd. 22 desselben Journals veröffentlichten „Psychologischen
Bemerkungen zu dem von Max Schottelius publizierten
Fall eines Hellsehers". Wie der Angriff sollte, wie
wissenschaftlich üblich, auch die Entgegnung meinerseits
in der genannten Zeitschrift erscheinen, nachdem ich mich
aus den unten genannten Gründen nachträglich da/u entschlossen
hatte. Ich habe dementsprechend vor Jahr und
Tag der Zeitschriftleitung die Entgegnung zugesandt. Entgegen
allen auf wissenschaftlichem Gebiete üblichen Ge-
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