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Oesterreich: Ueber den Dogmatismus in der Psychologie. 393
hätte *). Daß man schweigen kann, weil man die Argumente
des Gegners nicht für wichtig genug hält, an diese Möglichkeit
scheint Henning nicht zu denken. Ich' will ihm darum
jetzt doch noch ein paar Worte antworten, damit seine
Fälschungen festgenagelt bleiben. Auf eine Verständigung
rechne ich nicht nach den Eindrücken, die ich selbst von
der Wissenschaftlichkeit Hennings habe und den Schilderungen
, die mir von anderer Seite gemacht wurden.
Ich gehe nicht auf jedes Wort ein, sondern hebe die
wichtigeren Punkte hervor, das übrige auf sich beruhend
lassend. Allgemein ist zu sagen: auch in Hennings Polemik
tritt wieder dieselbe Ungenauigkeit und mangelnde Sorgfalt
im einzelnen zutage, die er sich in seiner ersten Veröffentlichung
über Schottelius' Publikation hatte zuschulden kommen
lassen. Er läßt mich zu wiederholten Malen Dinge
sagen, die ich niemals behauptet habe. Er verschiebt den
Sachverhalt, so wie es ihm für die Zwecke seiner Polemik
am praktischsten erscheint. Mit anderen Worten: er fälscht.
Dafür einige Beispiele:
1. Der Haupteinwand, den Henning gegen mich erhebt,
wirft mir vor, ich hätte die Forderung unbedingt unwissentlicher
Versuche zurückgewiesen, und griffe doch selbst darauf
zurück. Die Sachlage ist in Wahrheit die: Henning hatte
die Unwissentlichkeit der Versuche als conditio ßine qua
non gestellt. Ich entgegnete: wenn es sich um Telepathie
handelt, so ist diese Forderung ein methodologisches Nonsens
, denn Telepathie kann nur auftreten, wenn eine andere
Person die Zettel kennt. Wohl aber erkannte ich die Notwendigkeit
unwissentlicher Versuche an, um dahinter zu
kommen, ob Kahn übernormale Wahrnehmungsfähigkeit besitzt
. Darin liegt nicht der geringste innere Widerspruch,
denn ich behaupte nur, daß wissentliche Versuche allein
noch nicht beweisen, daß Kahn keine supranormalen Fähigkeiten
besitzt. Er könnte eben auch Telepath anstatt Hellseher
sein. 1
2. Es ist eine von Henning erfundene Unwahrheit, wenn
er behauptet, daß das, was in den letzten Jahrhunderten
der Wissenschaft „Erklärung" hieß, mir als „Ungenauig-
keitu dder „Nonsens** gelte. Ich, behaupte nur, daß Hennings
bedingungslose Forderung unwissentlicher Versuche im Falle
der Telepathie ein Nonsens ist, und daß seine Behauptung,
er habe den Fall Kahn aufgeklärt, unzutreffend ist. Er hat
eine Hypothese gegeben und diese mit wissenschaftlich •
*) Das war noch dazu positiv unrichtig! 0. Selz geht in seinem
Buche „Ueber die G-esetze des geordneten Denkverlaufs" bereits 1913 in
einem besonderen Anhang auf GL B. Müllers Bedenken ein.
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