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391 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1922)
unerlaubter Bestimmtheit als bewiesen behandelt. Die Anlehnung
an Hopp, Kdie Henning jetzt sucht, verbessert
seine Situation nicht. Im übrigen steht Hopp weit höher,
er ist wesentlich kritischer als der voreingenommene Henning
, der eben auch hier wie ein echter typischer Assoziationspsychologe
auftritt.
3. Unwahr ist auch; daß von mir für jedes Individuum,
das sich Hellseher nennt, allgemein nur telepathische Erklärungen
zugelassen würden. Ich habe auch die Möglichkeit
wissentlichen*) und unwissentlichen Betruges zugelassen sowie
auch die Möglichkeit supranormaler Wahrnehmung diskutiert
und Versuchsanordnungen angegeben, um zwischen
den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten zu entscheiden.
Weiter habe ich für den Fall, daß die Mitteilungen von
Schottelius zutreffen, erwogen, unter welche Kategorie dann
Kahn vermutlich einzureihen wäre. Es ergab sich dabei,
daß er dann wohl als Telepath zu betrachten wäre. Und ich
wüßte nicht, warum eine solche Diskussion vorliegender
Behauptungen nicht angestellt werden sollte. Sie wurde
durchgeführt, weil nur nach Anstellung solcher Ueberlegun-
gen sich die entsprechenden Versuchsanordnungen ersinnen
lassen, die bei etwaigen neuen Versuchen mit Kahn ein
planloses Herumexperimentieren hätten vermeiden lassen.
Ob damit Psychologen von der Art Hennings einverstanden
sind oder nicht, kommt für mich nicht in Betracht.
Daß bei der telepathischen Uebertragung von Gesichts
inhaiten, bei denen das Netzhautbild längst abgeklungen
ist, und auch das visuelle Vorstellungsbild dem Versuchsleiter
nicht mehr gegenwärtig ist, nur ,,unbewußte"
Vorstellungen in Betracht kommen können, ist so selbstverständlich
, daß es kaum besonders ausgesprochen zu werden
braucht, mag man nun von irgendwelchen hypothetischen
physiologischen Residuen oder eigentlichen unbewußten
Vorstellungen oder psychischen Dispositionen sprechen
. Auf jeden Fall erschöpft die Alternative, die Henning
aufstellt: physiologisches Netzhautbild oder (bewußte) Vorstellung
die vorhandenen Möglichkeiten nicht. vEs gibt
neben den Gedanken, die ihm als die einzig möglichen erscheinen
, meistens noch erheblich mehr. Die Psychologie
ist mit der Weisheit, die nach in Göttingen verschriebenen
Rezepten in Frankfurt hergestellt und ausgeschenkt wird,
noch nicht völlig zu Ende.
In einem Punkte bin ich heute noch vorsichtiger als zur
Zeit, als ich die ,,Bemerkungen" schrieb. Damals beurteilte
*) Ich habe kürzlich in Karlsruhe einen solchen Fall gesehen, den
ich für Betrug halte (Juni 1922.)
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